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Pflanzliches Immunsystem: Doppelte Abwehrkette

Nur dank unseres Immunsystems können wir in einer Umwelt voller Krankheitserreger überleben. Auch Pflanzen wissen sich gegen parasitierende Eindringlinge erfolgreich zur Wehr zu setzen: Sie haben einen doppelten Schutzwall aufgebaut.
Echter Mehltau
Nicht nur Mensch und Tier, auch Pflanzen leiden unter Krankheitserregern. Allerdings wissen sich auch die Pflanzen gegenüber unerwünschten Eindringlingen zu wehren – die meisten Keime der Umwelt sind nicht in der Lage, eine Pflanzenart zu befallen und sie "krank zu machen". Diese dauerhafte Spielart pflanzlicher Immunität gegenüber Parasiten kennt die Wissenschaft unter dem Namen Nichtwirts-Resistenz. Obwohl diese in der Natur die überwiegende Zahl aller Angriffe durch Parasiten beendet, ist sie bisher nur wenig erforscht.

Arabidopsis thaliana | Die Modellpflanze Arabidopsis thaliana wehrt sich gegen das Eindringen eines Parasiten: In einer Mutante von Arabidopsis, in der das Gen für das PEN2-Protein ausgeschaltet ist (rechts), dringt der Gerstenmehltau (Blumeria graminis hordei) deutlich häufiger in die Epidermiszellen ein als bei einem Wildtyp (links). Die angegriffene Zelle reagiert schließlich mit dem Zelltod auf den Eindringling. Die damit einhergehende weiße Fluoreszenz kann durch UV-Licht sichtbar gemacht werden. Die rote Hintergrundfärbung der Blätter entsteht durch die Eigenfluoreszenz des Chlorophylls.
Forscher um Volker Lipka vom Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln haben jetzt versucht, das Geheimnis der pflanzlichen Immunität zu lüften. Als "Versuchskaninchen" diente ihnen die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), die sich bereits in zahlreichen Experimenten bewährt hat. Insbesondere interessierten sich die Wissenschaftler für Mutanten, die sich im Gegensatz zur Wildform nur schlecht gegen den Echten Gerstenmehltau (Blumeria graminis hordei) wehren können.

Bei diesen Pflanzen spielen bestimmte Gene eine wichtige Rolle, die als pen (für penetration) bezeichnet werden: Sind sie defekt, sodass die entsprechenden Proteine in der Pflanzenzelle fehlen, kann der Pilz weitaus häufiger in Blattepidermis-Zellen eindringen. Die Forscher wollten nun wissen, wie das Protein PEN2 Krankheitserreger abwehren kann.

Bei ihren Experimenten stellte sich heraus, dass PEN2 ein Enzym ist, dass in der Membran von Peroxisomen sitzt. In diesen isolierten Zellkompartimenten laufen oftmals Stoffwechselreaktionen ab, die sonst für den Organismus gefährlich wären. Versucht nun ein Pilz in eine Pflanzenzelle einzudringen, dann – so konnten die Forscher beobachten – wandern solche Peroxisomen mit dem angehefteten PEN2-Protein gezielt zur Angriffsstelle. Hier arbeitet PEN2 wiederum als Glykosylhydrolase – das heißt, es spaltet Zuckermoleküle von einem anderen Zellbestandteil ab. Die dadurch freigesetzte Substanz wirkt wahrscheinlich fungizid, tötet also den eingedrungenen Pilz ab.

Fehlt dagegen PEN2, dann reagieren die Pflanzen nicht nur anfälliger gegenüber dem Mehltau, sondern auch gegen andere Pflanzenschädlinge, wie etwa den Erreger der Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel. Dies zeigt nach Ansicht der Forscher, dass es sich bei PEN2 um einen Baustein des pflanzlichen Immunsystems mit einem breiten Wirkungsspektrum handelt.

Dennoch ist die Pflanze ohne PEN2 noch nicht vollständig hilflos gegen Pilzkrankheiten – erst muss noch eine zweite Abwehrkette überwunden werden. Dazu unternimmt die Pflanze einen drastischen Schritt: Die angegriffene Zelle stirbt mitsamt dem Angreifer, wodurch das benachbarte Pflanzengewebe vor einer Infektion geschützt werden soll.

Bei dieser tödlichen Abwehr spielen ganz andere Proteine eine zentrale Rolle, nämlich EDS1, PAD4 und SAG101. Diese waren den Forschern bereits bei anderen Spielarten des pflanzlichen Immunsystems aufgefallen, bei der die Pflanze durch Immunrezeptoren auf der Zelloberfläche und im Zellinneren molekulare Merkmale identifiziert, die nur in Parasiten vorhanden sein können. Erst wenn auch dieser zweite Schutzmechanismus ausfällt, kann die Pflanze von den ursprünglich nicht-virulenten Mehltaupilzen schließlich besiedelt werden.

Damit zeigt sich, dass die Nichtwirts-Resistenz von Pflanzen aus einem mindestens zweistufigen Verteidigungssystem besteht. Deren Stufen entscheiden, ob eine Pflanze für eine Krankheit anfällig ist oder nicht. Die Redundanz der Abwehrschichten und das breite Wirkungsspektrum von PEN2 könnte erklären, warum sich die Nichtwirts-Resistenz in der Natur als einen dauerhaften und breit wirkenden Resistenzmechanismus etabliert hat. Fällt nämlich ein Baustein einer Abwehrschicht aus, wird seine Funktion durch Komponenten der nächsten Abwehrreihe übernommen.

Bisher galt die Annahme, dass die Nichtwirts-Resistenz eher auf "passiven" Mechanismen beruht, wie die Bauart der Zellwand, giftigen Stoffen auf der Pflanzenoberfläche oder fehlenden molekularen Angriffspunkten für Pathogene. Aktive Immunantworten scheinen hingegen einen entscheidenden Beitrag zur Nichtwirts-Resistenz von Pflanzen zu leisten, wie etwa der beobachtete Transport von PEN2 zur Infektionsstelle.

In weiteren Untersuchungen wollen die Kölner Forscher nun jene Stoffe identifizieren, die durch die PEN2-Aktivität an der Infektionsstelle gebildet werden – könnten sich doch diese Stoffe als "grüne Fungizide" mit breitem Wirkungsspektrum zur Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten herausstellen.

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