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News: Doppelte Gesetzesübertretung

Symmetrie ist schön und gut. Aber eigentlich sind es erst die kleinen Unregelmäßigkeiten, die eine Person oder einen Gegenstand wirklich interessant machen. Das hat sich wohl auch Mutter Natur gedacht und einige kleine Schönheitsfehler in die Struktur des Universums eingebaut.
Wäre das Universum perfekt symmetrisch, dürften wir im Grunde genommen gar nicht existieren. Denn beim Urknall wäre dann Materie und Antimaterie zu gleichen Teilen entstanden. Da sich beide Materieformen gegenseitig beim Aufeinandertreffen sofort wieder auslöschen, und eine Begegnung bei der großen Dichte des jungen Universums unausweichlich war, dürfte eigentlich nichts übrig geblieben sein, aus dem sich Atome oder gar Planeten hätten entwickeln können. Also was ist schief gelaufen?

Offenbar wandelte sich kurz nach dem Urknall Antimaterie in Materie um, sodass es auf einmal einen Überschuss der letzteren gab. Symmetriebrechung nennen die Wissenschaftler diese kleinen Schönheitsfehler in den Naturgesetzen, die dafür sorgen, dass eben nicht alles perfekt symmetrisch abläuft.

Einem weiteren Schönheitsfehler kamen jetzt zwei Forschergruppen unabhängig voneinander auf die Spur. Das Team um Edward Stephenson von der Indiana University untersuchte den Zusammenstoß zweier Deuterium-Kerne, bei dem Helium-4 entstand. Deuterium ist ein schweres Wasserstoffisotop, dessen Kern aus einem Proton und einem Neutron besteht. Allena Opper von der Ohio University und ihre Mitarbeiter brachten dagegen ein Neutron und Proton zusammen – erzeugten also Deuterium statt es zu zerstören.

Aber beide Gruppen beobachteten am Ende der Reaktionen ein Teilchen, das da eigentlich nicht hin gehörte: ein neutrales Pion. Daraus schlossen die Wissenschaftler, dass sie eine weitere Symmetriebrechung entdeckt hatten.

Denn das Pion kann nur dann entstehen, wenn grundlegende Unterschiede zwischen der Zusammensetzung des Neutrons und des Protons bestehen. Beide Teilchen sind jedoch aus Quarks zusammengesetzt: Das Neutron enthält ein Up-Quark mit der Ladung 2/3 und zwei Down-Quarks mit einer Ladung von je –1/3. Im Proton stecken hingegen zwei Up- und ein Down-Quark.

Bislang nimmt man an, dass das Down-Quark das schwerere der beiden Teilchen ist, da Neutronen mehr wiegen als ein Proton – ein indirekter Schluss, der nicht viel über die exakten Massen der Teilchen aussagt. Aber genau hier könnten die neu entdeckten "verbotenen" Reaktionen Aufschluss geben. Denn anhand der Pionen lässt sich vielleicht der Massenunterschied der beiden Quarks bestimmen. Und das wiederum vertieft unser Verständnis für die Anfänge des Universums.

Denn wie Bira van Kolck von der University of Arizona in Tucson erklärt: "Als sich Protonen und Neutronen vereinigten, um die ersten Elemente zu formen, hing die Häufigkeit der gebildeten Stoffe stark von den Unterschieden zwischen diesen beiden Teilchen ab."

Schließlich ist ein Proton für einen stabilen Kern unabdingbar – ein Neutron allerdings nicht. So kommt Wasserstoff ganz ohne aus. Erst in schwereren Kernen ist ein Neutron nötig. Doch wenn es dort keinen Unterschlupf findet, zerfällt es und zwar in das leichtere Proton. Und dieses wiederum kann mit einem Elektron immer noch ein stabiles Atom bilden.

Wenn dagegen das Proton mehr wöge und in ein Neutron zerfallen würde, dann wären kurz nach dem Urknall wahrscheinlich eine ganze Menge nutzloser Neutronen übrig geblieben, statt Materie zu formen. Auf jeden Fall hätte sich wesentlich weniger Wasserstoff gebildet.

So ist es nicht zuletzt den Unterschieden zwischen den Quarks und damit einem kleinen Schönheitsfehler der Natur zuzuschreiben, dass die Welt so wurde, wie wir sie heute kennen.

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