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Familienverhältnisse: Eine dritte Art von Zwillingen

In äußerst seltenen Fällen ist ein Geschwisterpärchen weder eineiig noch zweieiig, sondern »semi-identisch«.
Zwei Hände von Erwachsenen, vier Babyfüße. Alle noch mit dem Körper verbunden.

Es handelt sich um eine Zwischenform von eineiigen und zweieiigen Zwillingen: Diese medizinische Rarität entdeckten Forscher um Michael T. Gabbett von der Queensland University of Technology in Australien vor vier Jahren bei einer Schwangeren. 2019 stellten sie den Fall nun wissenschaftlich dar. Die Föten im Bauch der 28-Jährigen hatten eine gemeinsame Plazenta – was nur bei eineiigen, genetisch identischen Zwillingen möglich ist. In der 14. Woche stellte sich jedoch heraus, dass die Zwillinge unterschiedliche Geschlechter haben, was mit einer identischen genetischen Ausstattung nicht gut zu vereinbaren ist.

Der Widerspruch löste sich bei genaueren Erbgutanalysen auf. Demnach gingen die Zwillinge aus einer Eizelle hervor, die von zwei Spermien befruchtet wurde. Die drei Chromosomensätze teilten sich ungleichmäßig auf beide Geschwister auf, so dass diese 100 Prozent des mütterlichen Erbguts teilen, aber nur 78 Prozent der väterlichen Erbanlagen, wie eine Untersuchung des Fruchtwassers zeigte.

Dass zwei Samenzellen eine Eizelle befruchten, kommt immer mal wieder vor, doch ein Embryo mit drei Chromosomensätzen überlebt nur selten. Ein ähnlicher Fall wurde bereits 2007 beschrieben. In jenem wie im neuen Fall teilte sich die befruchtete Eizelle nicht in zwei, sondern in drei Zellen. Alle drei besitzen dann wie vorgesehen zwei Chromosomensätze: eine Zelle mit den Chromosomen der Mutter und einigen Chromosomen der beiden Spermien, eine zweite Zelle mit den Chromosomen der Mutter und einigen anderen Chromosomen der Spermien sowie eine dritte Zelle mit den restlichen Chromosomen beider Spermien, die jedoch bald abgestoßen wird.

Nach diesem Stadium muss sich der Embryo trennen, damit daraus semi-identische (»sesquizygote«) Zwillinge entstehen können. Sie bestehen dann nicht aus Zellen mit identischem Erbgut, sondern aus den unterschiedlichen Zelllinien, die aus der ersten Teilung hervorgehen. Das unterschiedliche Geschlecht der von Gabbetts Team beschriebenen Zwillinge dürfte daher rühren, dass eines der Spermien ein X-Chromosom trug, das andere ein Y-Chromosom. Die Geschwisterchen sind inzwischen vier Jahre alt.

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