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News: Drogenfreie Bosse

Macht ist eine Droge, heißt es, und es könnte sein, dass ihr Konsum vor dem Missbrauch anderer Drogen schützt. Jedenfalls interessieren sich Makaken, die ganz oben in der Rangordnung stehen, weniger für Kokain als ihre untergebenen Artgenossen.
Wer Kokain oder Speed zu sich nimmt, erlebt Euphorien, die ihren Ursprung im Belohnungszentrum des Gehirns haben. Wie überall im Gehirn, ist auch hier der Neurotransmitter Dopamin für die Reizleitung zwischen den Nerven zuständig. Hat das Dopamin seine Schuldigkeit getan, wird es resorbiert und verschwindet. Bestimmte Medikamente und Drogen behindern diese Resorption und bewirken auf diese Weise einen Anstieg der Dopaminkonzentrationen - und dies führt im Belohnungszentrum des Gehirns aufgrund der Reizüberflutung schließlich zu dem High-Gefühl.

Hohe Konzentrationen des Dopaminrezeptors D2, das weiß man schon seit einer Weile, sind auch bei Makaken der Art Macaca cynomolgus zu finden, und zwar bei solchen, die in ihrer Horde einen hohen Rang einnehmen. Andererseits zeigte sich, dass Tiere mit niedrigem Dopaminrezeptor-Spiegel viel stärker zu dem Konsum von Speed neigen als die Artgenossen mit hohen D2-Konzentrationen.

Wenn die Mächtigen über viel D2 verfügen und die Makaken mit wenig D2 zu Drogen greifen, stellt sich natürlich die Frage nach einem Zusammenhang: Ist der Drogenkonsum von der Rangordnung abhängig? Können die Großen und Starken dem Drogenkonsum also deshalb nur wenig abgewinnen, weil sie groß und stark sind, während die Kleinen und Schwachen der Sucht gegenüber besonders anfällig sind?

Zur Beantwortung dieser Frage sperrten Drake Morgan und seine Mitarbeiter von der Wake Forest University in North Carolina zunächst 20 männliche Makaken in Einzelkäfige, vermaßen dort den Hormonhaushalt, beobachteten das Verhalten und bestimmten mithilfe der Positronen-Emissions-Tomographie die chemische Aktivität in den Affenhirnen.

Alsdann kamen die Makaken wieder zusammen, und zwar in Gruppen zu Vieren, in denen umgehend das Gerangel um die höchste Position begann. Schnell bildeten sich hierarchische Strukturen, in denen es die dominanten und aggressiven Männchen waren, die am futterspendenden Bananenchips-Automaten regelmäßig die Ersten waren. Nach drei Monaten zeigte sich schließlich, dass die D2-Konzentrationen im Belohnungszentrum ebendieser hochrangigen Tiere um ganze 20 Prozent angestiegen waren.

Im anschließenden Teil des Experiments stellte sich nun heraus, dass diese hohen D2-Konzentrationen offensichtlich einen Einfluss auf den Umgang mit Drogen haben, denn nun hatten die Makaken die Möglichkeit, sich beim Futtern per Braunüle gleich auch eine Dosis Salz- oder Kokainlösung in die Venen injizieren zu lassen. Mit eindeutigem Ergebnis: Während sich die hochrangigen Affen ziemlich gleichmäßig mal für das Kokain, mal für die wirkungslose Salzlösung entschieden, neigte das niedere Makakenvolk ganz eindeutig zur Droge.

Michael Kuhar von der Emory University in Atlanta sieht hier Ursache und Wirkung deutlich verknüpft: "[das Ergebnis] zeigt, wie das Umfeld - vielleicht sogar die persönlichen Eigenschaften - und bestimmte Umstände die Anfälligkeit für den Drogenmissbrauch bedingen." Während die oberen Zehntausend eines Affenvolks ihren Kick also aus der Malträtierung der subalternen Artgenossen beziehen, können sich die Gedroschenen ihrerseits nur am künstlichen Rausch berauschen.

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