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Pflanzenparasitismus: Dufter Wirt

Parasiten brauchen einen Wirt zum Leben – das gilt auch für pflanzliche Schmarotzer. Doch wie findet parasitäres Grünzeug seinen Wirt, so ganz ohne Augen, Ohren und Nase?
<i>C.&nbsp;pentagona</i>
Ohne Tomate ist das Leben der amerikanischen Seide (Cuscuta pentagona) schnell vorbei: Findet der Keimling nicht innerhalb weniger Zentimeter und weniger Tage eine Tomatenpflanze, verhungert er schlichtweg, denn die Energiereserven des Samens sind sehr begrenzt. Die zu den Teufelszwirngewächsen gehörende Seide verzichtet nämlich weitgehend auf die Photsynthese, aus der Pflanzen normalerweise ihre Energie beziehen. Stattdessen zapft der bleiche Parasit andere Pflanzen als Energie- und Nahrungsquelle an – bevorzugt Nutzpflanzen wie Tomaten, Karotten, Zwiebeln oder Alfalfa.

C. pentagona | Ein Keimling von C. pentagona umwindet eine Tomatenpflanze.
Beginnt ein Samen von C. pentagona sich zu regen, wächst er zu einem fadenförmigen Keimling aus, der mit kreisenden Bewegungen die Umgebung erkundet, immer darauf aus, auf eine geeignete Wirtspflanze zu stoßen, diese zu umwinden und später auszusaugen. Doch woher weiß der Schmarotzer, in welcher Richtung ein passender Wirt zu finden ist?

Consuelo De Moraes von der Universität Pennsylvania und ihr Team vermuteten, dass hierbei Duftstoffe als Wegweiser fungieren. Um dies zu überprüfen, setzten die Wissenschaftler zwei bis drei Zentimeter lange Keimlinge der amerikanischen Seide in Wassergläschen, fädelten die Pflanzenspitzen durch ein kleines Loch in einem darüber befestigten kreisrunden Filterpapier und ließen die Pflänzchen dann vier Tage lang wachsen. Als richtungsweisende Lockpflanze stellten sie in 4,5 Zentimeter Entfernung vom Keimling eine junge Tomatenpflanze auf.

C. pentagona | Der bleiche Parasit zapft der Tomate Nährstoffe und Wasser ab.
Die meisten der Parasitenpflänzchen bemerkten den Köder und wuchsen gezielt auf die Tomatenpflanze zu. Ersetzten die Forscher nun die Tomatenpflanze durch Impatients wallerana – ebenfalls eine beliebte Wirtspflanze von C. pentagona – strebten die Keimlinge auch dieser Lockpflanze zu. Selbst auf Weizen, auf dem der Parasit nur kurze Zeit überlebt, wuchsen die Pflänzchen zu, wenn auch weniger eindeutig als bei Tomaten. Hatten die Keimlinge außerdem die Wahl zwischen Weizen und Tomaten, bevorzugten sie ganz klar die Tomaten.

Die amerikanische Seide erkennt also eindeutig, wo ein potenzieller Wirt zu finden ist und bemerkt sogar, ob dieser gut oder nur bedingt als Nahrungsquelle geeignet ist.

Um nachzuweisen, dass es pflanzliche Duftstoffe sind, die dem Parasiten den richtigen Weg zu seinem Wirt weisen, boten die Wissenschaftler schließlich als Lockstoff aus Tomatenpflanzen extrahierte und in Lösungsmittel aufgelöste Duftstoffe an. Als Alternative gab es das reine Lösungsmittel. Auch unter diesen Bedingungen strebten die meisten Keimlinge dem Duft zu und schenkten dem Lösungsmittel keine Beachtung.

Nun dröselten die Wissenschaftler die Pflanzendüfte noch weiter auf und testeten sieben einzelne Duftkomponenten der Tomate. Drei von ihnen wirkten anziehend auf C. pentagona. Eine dieser drei Substanzen wird übrigens auch von Weizen produziert – dies könnte erklären, warum die Keimlinge auch Weizen durchaus als attraktiv empfanden. Ein anderer Duftstoff des Weizens wirkte aber abstoßend auf die Keimlinge – dies wiederum erklärt, warum sich Keimlinge, die die Wahl zwischen Tomaten und Weizen hatten, eindeutig für die Tomate als geeignete Wirtspflanze entschieden.

Demnach weisen dem Parasiten tatsächlich von der potenziellen Wirtspflanze abgegeben Duftstoffe den Weg zum Wirt.

Die Tatsache, dass es gleichzeitig auch abstoßende Duftstoffe gibt, könnte dabei für die Landwirtschaft von Interesse sein. Denn C. pentagona hat sich wegen ihrer Vorliebe für Nutzpflanzen in der Landwirtschaft sehr unbeliebt gemacht, insbesondere, da der Parasit ausgesprochen schwer in den Griff zu bekommen ist: Die zur Verfügung stehenden Pestizide töten meist auch die Wirtspflanze, sodass der Schädling bei Tomaten einen Ernteausfall von bis zu 25 Prozent verursacht. Ein geeignetes Repellent könnte möglicherweise auf nutzpflanzenschonende Weise die parasitischen Keimlinge in die Irre führen, sodass diese Hungers sterben, bevor sie einen geeigneten Wirt finden.

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