Direkt zum Inhalt

Giraffen: Dunkle Bullen hängen lieber allein ab

Giraffenbullen mit dunkleren Flecken sind meist älter - vor allem aber weniger gesellig. Offenbar können sie sich besser allein durchschlagen als blonde Artgenossen.
Einzelne Giraffe läuft durch die Steppe

Männliche Giraffen (Giraffa camelopardalis) mit dunkleren Fellflecken haben es offenbar nicht nötig, in Gruppen abzuhängen und um Weibchen herumzuschleichen. Ein internationales Team um die Verhaltensbiologin Madelaine Castles von der University of Queensland beobachtete, dass sich dunklere Bullen häufiger allein herumtrieben als hellere Exemplare. Zwar dunkelten die meisten Giraffenmännchen, die das Team im Etosha-Nationalpark in Namibia vor die Linse bekam, im Alter nach – aber nicht alle. Der Farbton ihrer Flecken sei also kein reines Altersmerkmal, sondern sage auch etwas über den sozialen Status von Giraffenbullen aus, schreibt das Forscherteam nun in der Fachzeitschrift »Animal Behaviour«.

Dass viele Giraffenbullen – im Gegensatz zu den Kühen – im Alter dunkler werden, war bereits bekannt. Bei früheren Feldstudien im Etosha-Nationalpark, die sie im Rahmen ihrer Doktorarbeit durchgeführt hatte, war Rachel Brand, einem Mitglied des Forscherteams, außerdem aufgefallen, dass sich Bullen mit dunkleren Flecken oft aggressiver verhielten und längere Strecken zurücklegten.

Deutlicher Farbunterschied | Ein dunkler Giraffenbulle (links) wittert seine Chance bei einer Giraffenkuh (rechts).

Um eine paarungsbereite Giraffenkuh zu treffen, muss ein Bulle in dem mehr als 22 000 Quadratkilometer großen Nationalpark mitunter weit laufen. Wenn dann nicht nur einer, sondern gleich mehrere Anwärter zur Stelle sind, geht es heftig zu: Die Rivalen schwingen ihren langen Hals wie eine Keule. Dieser Wucht – ein ausgewachsener Bulle kann bis zu zwei Tonnen wiegen – hält nicht jedes Tier stand. Darum glaubt das Team um Brand, dass schwächere – und womöglich hellere Bullen auf eine andere Taktik setzen. Sie halten sich in Gruppen mit Weibchen auf, warten bis diese ihren Eisprung bekommen – und hoffen, dass ihnen dann kein überlegenes Männchen in die Quere kommt. Ein ähnliches Verhalten findet man zum Beispiel auch bei See-Elefanten und Zebras.

Um herauszufinden, ob die Fellfarbe tatsächlich mit dem Alter und dem Sozialverhalten der Bullen zusammenhängt, klapperte das Team um Castles über zwölf Jahre hinweg verschiedene Abschnitte der Straße, die durch den Nationalpark führt, ab. Um die Tiere nicht zu stören, fotografierten sie die Forscher während der vier mehrmonatigen Beobachtungsperioden ausschließlich vom Wagen aus. Anhand der individuellen Fleckenmuster gelang es dem Team, insgesamt 1467 Giraffen auseinanderzuhalten; 646 davon waren männlich. 66 dieser Bullen ließen sich sogar bei mehreren Beobachtungsperioden blicken. Castles' Team bestimmte ihr ungefähres Alter und ordnete sie anhand der Fotos unterschiedlichen Farbkategorien zu. Tatsächlich waren alle Jungbullen beige oder hellbraun – manche sogar blonder als Giraffenkühe. Mit zunehmendem Alter erweiterte sich die Farbpalette: Hatten die Bullen mehr als 15 Jahre auf dem Buckel, war von hellbraun bis fast schwarz alles vertreten. Im Durchschnitt waren ältere Tiere also wie erwartet dunkler als jüngere. Bei 24 Bullen – also rund einem Drittel – war die Fleckenfarbe jedoch über mehrere Fototermine hinweg gleich geblieben. Ein Tier, welches das Team insgesamt viermal – als jugendlichen, jungen, mittelalten und gealterten Bullen – abgelichtet hatte, war stets hell wie eine Kuh. Und neun Bullen waren im Lauf der Zeit sogar etwas heller geworden.

Als das Team um Castles die Tiere fotografierte, hielten sie auch fest, ob diese sich allein oder in einer Gruppe aufhielten. Als Gruppe betrachtete das Team Tiere, die in einem Umkreis von 400 Metern zusammenstanden. Dabei fiel ihnen auf, dass dunklere, also in der Regel ältere Bullen deutlich mehr Zeit allein verbrachten als hellere Tiere. Eine genauere Betrachtung der Daten bestätigte, dass die Geselligkeit der Giraffenmännchen mit dem Alter abnahm. Noch deutlicher zeichnete sich aber ein Farbtrend ab: Ab einer gewissen Helligkeitsstufe – wenn sich das Zentrum ihrer Flecken schokoladenbraun färbte – waren Giraffenbullen häufiger allein unterwegs. Vermutlich sind sie dann stark genug, um sich selbst zu verteidigen. Es ist bekannt, dass sich vor allem junge oder schwache Bullen zu losen Verbänden oder »Junggesellenherden« zusammenschließen. Durch die Gemeinschaft erfahren sie Schutz und können ihre Fähigkeiten verbessern, bevor sie zu Einzelgängern werden. Giraffenkühe hingegen leben stets in Herden von 4 bis 32 Tieren.

Giraffengruppe | Kühe sowie junge oder schwächere Giraffenbullen schließen sich häufig zu losen Verbänden zusammen. Dunkle Exemplare begeben sich hingegen meist allein auf Futter- und Weibchensuche.

»Wir wissen jetzt, dass die Farbe nicht nur auf das Alter hinweist, sondern auch etwas über den körperlichen Zustand eines Männchens aussagt«, sagt Castles in einer Pressemitteilung. Die Farbe der Flecken könnte bei Giraffenbullen eine ähnliche Funktion haben wie die Mähne bei Löwen: Auch sie ist bei dominanten Männchen dunkler. Wie die Verdunklung der Flecken zu Stande kommt – ob sie etwa mit der Ernährung, höheren Testosteronwerten oder der Expression bestimmter Gene zu tun hat, will das Forscherteam künftig untersuchen. Außerdem wurde in der aktuellen Studie das eigentliche Paarungs- und Kampfverhalten außer Acht gelassen. Das heißt, es ist noch unklar, ob dunklere Bullen auch tatsächlich stärker sind und bei Weibchen öfter zum Zuge kommen als hellere Artgenossen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.