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News: Durch Gentherapie wachsen neue Blutgefäße

Durch eine neue Therapiedie, die therapeutische Angiogenese, sollen neue Blutgefäße gebildet werden, die eine natürliche Umleitung um verschlossene Blutgefäße darstellen. Sie wurde bereits an 8 Patienten mit Durchblutungsstörungen in den Beinen erprobt.
In dieser Therapie werden Gene, also Abschnitte von DNA, in die Beinmuskulatur der Patienten injiziert. Diese Gene sind für die Produktion eines Wachstumsfaktors verantwortlich, der die Bildung von Blutgefäßzellen während der Entwicklung des menschlichen Embryos anregt. Die injizierte DNA regt bestehende Blutgefäßzellen an, neue Adern zu bilden. Derselbe Wachstumsfaktor wird auch von menschlichen Tumorzellen freigesetzt. Die Gene für den Faktor wurden aus einem menschlichen Drüsentumor gewonnen und in Isners Labor vervielfältigt.

„Um wachsen zu können, müssen Tumore mit Blut versorgt werden”, erklärt Jeffrey Isner, Professor der Medizin und Pathologie an der Tufts University School of Medicine und Chef der kardiovaskulären Forschung am St. Elizabeth’s Medical Center. „Daher sondern Tumorzellen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor ab, der neue Blutgefäße entstehen läßt. Dieser Faktor wird auch von Embryonen in der Entwicklung gebildet. ” Für die Injektionen wurden die Gene nicht an einen Virus oder ein anderes „Trojanisches Pferd” gebunden, um die DNA in die Zellen einzuschleusen, sondern die „nackte” DNA wurde zweimal im Abstand von 4 Wochen verabreicht.

Isner kündigte an, daß die Therapie bald an Menschen geprüft wird, deren Koronargefäße durch Atherosklerose verengt sind. „Wenn diese gentechnische Therapie im Bein funktioniert, sollte sie auch am Herzen wirken”, sagt Isner, der in einem Artikel in Lancet im August 1996 seinen ersten Patienten beschrieb, bei dem die Gentherapie neue Blutgefäße hervorbrachte.

Falls sich die neue Gentherapie als sicher und effektiv erweisen sollte, werden Kardiologen auch solchen Patienten helfen können, bei denen die Ballonangioplastie, Bypass-Operationen, Medikamente oder andere Behandlungsmethoden zur Wiederherstellung der Durchblutung mit einem zu hohem Risiko behaftet oder nicht erfolgreich sind. Ob diese Gentherapie sich als primäre Behandlung etablieren wird – in Verbindung mit der Angioplastie zum Beispiel oder anstelle der Bypass-Chirurgie, kann noch nicht gesagt werden und hängt von der weiteren Forschung ab, sagt Isner. Im Moment trägt die Gentherapie dazu bei, Amputationen bei Patienten mit schwerer Atherosklerose in den Beinen zu vermeiden. „Bei den Patienten, die an dieser Studie teilnahmen, wurde jede Therapie versucht, jedoch vergebens ”, erklärt Isner. Für Patienten mit schweren Durchblutungsstörungen der Gliedmaßen ist die Amputation der einzige Weg, um mit dem tödlichen Gangrän des betreffenden Gliedmaßes fertig zu werden.

Bei dieser Studie wurde keine zufällige Unterteilung in Gruppen, von denen eine mit Gentherapie und die andere konventionell behandelt wird, durchgeführt, weil es für Menschen mit solch schwerem Krankheitsverlauf keine konventionelle Therapie gibt. Die kritische Blutarmut der Extremitäten betrifft in den Vereinigten Staaten 100.000 – 200.000 Menschen und ist damit die „am häufigsten unterdiagnostizierte Einheit bei den kardiovaskulären Erkrankungen”, sagt Isner. „Sie wird häufig dem hohen Alter angekreidet, doch es kann auch ein Zeichen dafür sein, daß etwas mit dem Gefäßsystem nicht stimmt”. Bei vielen seiner Patienten beschränkt sich die Atherosklerose nicht auf die peripheren Gefäße der Gliedmaßen, sondern beeinträchtigt auch die Funktion der Blutgefäße, die Herz und Hirn versorgen.

Die Effektivität der Gentherapie wurde bereits mittels Magnet-Resonanz-Angiographie, die den Blutfluß in den Gefäßen bildhaft darstellt, Messungen des Blutdruckes an Knöchel und Arm und – wo dies möglich war – Belastungstests geprüft.

In 8 von 10 behandelten Beinen verbesserte sich die Durchblutung und in 7 von 10 behandelten Beinen wurden neue sichtbare Gefäße gefunden.

Während der Folgeuntersuchungen, die ein bis sechs Monate nach der letzten Injektion durchgeführt wurden, stieg der Blutdruck am Knöchel von 0,33 auf 0,47 des Knöchel-Index. „Der Blutdruck im Liegen sollte am Knöchel und Arm gleich sein”, erklärt Isner. „Bei Beginn der Studie betrug der Blutdruck am Knöchel der Patienten etwa ein Drittel des am Arm gemessenen Wertes . Der 14%ige Anstieg erfüllt die Kriterien, nach denen gewöhnlich der Erfolg von Operation und Angioplastie bewertet wird. Meines Wissens zeigten sich solche Verbesserungen in dieser Patientengruppe nie ohne chirurgischen Eingriff oder Angioplastie. Solche Verbesserungen erfolgen nicht spontan”, hebt er hevor.

Die Patienten wurden angehalten, den Schmerz in den Beinen in Ruhelage vor und nach der Therapie zu beurteilen. Menschen mit schwerer Atherosklerose in den Beinen leiden typischerweise häufig unter Ruheschmerzen, die auch den Schlaf beeinträchtigen. Wie Angina pectoris oder Schmerzen in der Brust wird dieser Schmerz durch die verminderte Durchblutung hervorgerufen. Sechs der Patienten verzeichneten eine Verminderung des Ruheschmerzes. In 4 von 7 Beinen, bei denen sich durch die beeinträchtigte Durchblutung Hautgeschwüre gebildet hatten, heilten diese ganz oder teilweise ab. Die Zeit, die benötigt wurde, um eine bestimmte Strecke zu gehen, verringerte sich bei allen 5 untersuchten Patienten. Nur ein Studienteilnehmer mußte sich einer Beinamputation unterziehen. Als die 39jährige Frau in die Studie einbezogen wurde, hatte sie Atherosklerose in beiden Beinen. Die vordere Hälfte des einen Fußes war bereits brandig verfärbt, erzählt Isner. Im anderen Bein setzte das Gangrän bereits in den Zehen ein. Die Gentherapie wurde an beiden Beinen durchgeführt und stoppte den Gewebsbrand im zuletzt befallenen Bein, versagte jedoch im anderen „weil es zu weit fortgeschritten war”, so Isner.

„Als sie zu uns kam, sah sie zwei Beinamputationen entgegen”, fügt er hinzu, „ohne die Therapie wäre sie beidseitig amputiert." ” Das amputierte Bein war das einzige in der Studie, dessen Zustand sich verschlechtert hat. Bei einer anderen Frau konnte ebenfalls eine Amputation durch die Gentherapie verhindert werden. Lediglich bei einem Patienten gab es keine Besserung.

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