Wissenschaft im Alltag: Durch Reibung und Spannung
Wissenschaft im Alltag: Durch Reibung und Spannung
Der Nagel als Verbindungselement hat eine jahrtausendealte
Tradition. Doch erst seit etwa hundert Jahren findet man ihn dank großindustrieller Fertigung
in jedem Haushalt.
Einst mussten Schmiede jeden Nagel einzeln in Handarbeit herstellen: Aus rot glühendem
Eisen zogen sie einen kurzen Stab und hämmerten dann
Spitze und Nagelkopf. Ende des 18. Jahrhunderts kamen
handbetriebene Vorrichtungen auf, um die Produkte aus
Eisenblechen zu schneiden. Um 1880 beschleunigten
Dampfmaschinen diesen Vorgang und das "Nägelschneiden" wurde billiger. Doch nicht alle Nägel, die so entstanden,
waren gleich haltbar.
"Und David befahl, dass man die Fremden versammeln
solle, die im Land Israel waren; und er stellte
sie an als Steinhauer, um Quader für den Bau des
Hauses Gottes zu behauen. Und David ließ Eisen in
Menge für die Nägel zu den Tor fl ügeln bereitstellen
und für die Klammern."
(Altes Testament, Das erste Buch der Chronik, Kapitel 22, Vers 2,3)
Das änderte sich erst Anfang des 20. Jahrhunderts, als
es gelang, Stahl gleichzeitig sowohl biegsam als auch fest zu machen. Nun konnten Maschinen in einem kontinuierlichen
Arbeitsgang Nägel aus einer Rolle Stahldraht schneiden
und dann Kopf sowie Spitze formen. Das Verfahren
erlaubte es auch, die Grundkonstruktion zu variieren, um
die Verbindungselemente optimal auf ihren Verwendungszweck
abzustimmen. Ein Beispiel dafür sind Klammern – eigentlich nichts anderes als zwei durch einen Querbalken
verbundene Nägel.
Im Mauerwerk verhindert die Reibung, dass der Nagel
wieder herausrutscht. Im Holz kommt außerdem die
Spannung in den Holzfasern dazu, die den Nagelschaft
zum Beispiel in einem Brett festhält, selbst wenn Schwingungen
oder Änderungen in Temperatur und Luftfeuchtigkeit
die Holzfasern zusammenziehen oder weiten.
Durch Anrauen des Schafts, Ringe und Widerhaken lässt
sich die Haltekraft noch steigern. Manche Hersteller bieten
auch Beschichtungen an, um die Reibung zu vergrößern,
doch die Wirksamkeit dieser kostspieligen Maßnahme
ist bislang kaum erforscht.
Anfang des 17. Jahrhunderts rühmte der englische
Dichter George Herbert (1593–1633) in seinem Werk "Jacula
Prudentum": "Fehlt ein Nagel, geht das [Huf]Eisen
verloren, fehlt das Eisen, geht das Pferd verloren, geht das
Pferd verloren, dann auch der Reiter." Wussten Sie schon?
Die Reibung als Grundlage der Haltekraft
nutzten auch schon Handwerker im mesopotamischen
Uruk (heute das irakische
Warka) im 3. Jahrtausend v. Chr. Sie
drückten bis zu 15 Zentimeter lange farbige
Tonstifte in geometrischen Mustern in
den Lehm von Tempelfassaden. Diese
Mosaike dienten nicht nur dem Schmuck,
sondern festigten auch die Wandkonstruktion.
Rein funktionale Nägel aus Kupfer
wurden ebenfalls bereits in Uruk verwendet.
Sie dienten häufig dem
Befestigen von Metallbeschlägen auf
Holz, etwa bei Möbeln.
Bisher ist Stahl der wichtigste Werkstoff
für Nägel, doch werden immer öfter auch
solche aus Aluminium oder Aluminiumlegierungen
eingesetzt. Sie sind leichter und
es besteht in der Regel keine Korrosionsgefahr.
Aluminium ist zum Beispiel resistent
gegen ammoniak-, schwefelwasserstoff-,
salpetersäure- und essigsäurehaltige
Verbindungen. Sein wichtigstes Einsatzgebiet
liegt deshalb in der chemotechnischen
Industrie.
In Europa gibt es verschiedene Normen
für Nägel. In ihnen sind unter anderem die
Mindestzugfestigkeit, die Stahlzusammensetzung
und die Toleranzen für die Abmessungen
aufgelistet. Letzteres ist besonders
wichtig für handbetriebene oder stationäre
Nagelmaschinen, damit in ihnen Nägel unterschiedlicher
Hersteller verwendet werden
können. Die Einhaltung der Normen
überwachen Institute für Bautechnik, etwa
in Karlsruhe. Weniger streng sind die Normen
für den Heimwerkernagel. So kann der
Hersteller wählen, wie hart der Stahl ist,
den er nimmt, was sich dann natürlich auf
den Preis auswirkt.
In der Möbel- und Palettenindustrie werden
Nägel mit Antispaltspitzen verwendet. Sie
sind relativ stumpf, das Holz splittert also
nicht so leicht. Ist die Spitze einseitig geformt,
verbiegt sich der Nagel in eine gewünschte
Richtung, sobald er auf eine gegendrückende
Metallplatte trifft.
Hat ein Nagel ein Gewinde mit geringer
Steigung (sowie einen Kopf mit Kreuzschlitz),
lässt er sich einschlagen und kann
später mit einem Schraubenzieher leichter
wieder gelöst werden. Bei großer Steigung
des Gewindes dreht sich ein solcher
Nagel beim Einschlagen wie eine Schraube
ins Holz.
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