News: Echtheitsbeweis steckt in der Tinte
Eine Karte, die schon lange vor Kolumbus' "Indienfahrt" einen Kontinent im Westen zeigt - kaum zu glauben, dass es dergleichen geben soll. Und tatsächlich: Die Echtheit des Stücks Pergament ist äußerst umstritten. Nachdem vor einem Jahr die Zweifler einen Punktsieg vermeldeten, kontert nun eine Authentizitäts-Verfechterin.
Niemand zweifelt mehr ernsthaft daran, dass lange vor Christoph Kolumbus Nordmänner den amerikanischen Kontinent entdeckt haben. Doch Hinweise auf das frühe Seefahrerwissen sind spärlich gesät. Da wäre eine alte Karte, die das neue Land im Westen bereits zeigt, bevor der Genueser zu seiner legendären Reise aufbrach – fast zu schön, um wahr zu sein. Kein Wunder also, dass nicht nur Historiker, sondern auch Naturwissenschaftler die Echtheit der so genannten Vinland-Karte anzweifeln. Nicht jedoch, ohne ihrerseits Kritik auf sich zu ziehen.
Letztes Jahr gab es gleich zwei Veröffentlichungen, die in ihren Feststellungen unterschiedlicher kaum hätten sein können. So zeigte eine Arbeitsgruppe um Garman Harbottle vom amerikanischen Brookhaven National Laboratory, dass zumindest das Pergament, auf dem die Karte gezeichnet wurde, echt, also alt ist [1]. Ziemlich genau ließ sich ein Fetzen mit der Radiocarbonmethode und entsprechender Eichung in das Jahr 1434 datieren – ein paar Jahre mehr oder weniger vielleicht, aber deutlich vor 1492.
Ein Fälscher hätte sich also zumindest altes Arbeitsmaterial besorgen müssen – ein ziemlicher Aufwand, zumal die Karte schon in den 1950er Jahren auftauchte und sich zu diesem Zeitpunkt nur bedingt abzeichnete, welche Möglichkeiten die Radiocarbonmethode einmal bieten würde. Sei es drum, gewiss hätte der Betrug schon zu viel früheren Zeiten stattfinden können, und wer sagt, dass nicht eine Originalkarte im Nachhinein kunstvoll ergänzt wurde?
An ähnlicher Stelle setzte denn auch die Argumentation von Katherine Brown und Robin Clark vom University College London an [2]. Die Forscher vermuteten, dass die vermeintliche Echtheit in der Tinte stecke. Zwar wirken die Striche und Linien auf der Vinland-Karte auf den ersten Blick wirklich alt – der Eindruck entsteht durch die sich auflösende schwarze Schrift und die für Eisengallustinte typischen gelb-braunen Rückständen –, doch gerade diese Altersmerkmale halten die Londoner Forscher für gekonnte Fälschungen.
Denn spektroskopische Untersuchungen der schwarzen Linienreste wiesen auf Kohlenstoff hin, weshalb Brown und Clark darauf tippten, dass der unbekannte Schöpfer der Karte Kohlenstoff- anstelle von Eisengallustinte verwendete. Doch nur Eisengallustinte hinterlässt die unansehnlich-gelblichen Überreste. Ergo sei der Gelbfraß nur eine Effekthascherei, die Alter vorgaukeln solle. Dazu, so die Wissenschaftler, passe, dass nur in dem Gelb Spuren des Minerals Anatas gefunden wurden – eine Titandioxidform, die erst nach 1917 synthetisiert wurde.
Was sich durchaus schlüssig anhört, wird nun heftig von Jacqueline Olin kritisiert, die seinerzeit an der Radiocarbondatierung des Kartenpergaments beteiligt war [3]. "Die Gegenwart von Kohlenstoff in einer Tinte ist noch kein Hinweis darauf, dass es sich tatsächlich um Kohlenstoff-Tinte handelt", wirft die Forscherin ein. "Es könnte genauso gut Eisengallustinte sein, zu der Kohlenstoff als Farbstoff beigemengt wurde." Das ist offenbar durchaus keine Seltenheit gewesen, ist doch Eisengallustinte für sich genommen eine eher blasse Flüssigkeit, die erst im Laufe einiger Tage unter Sauerstoffaufnahme schwarz wird. Wollte der Verfasser eines Texts oder der Schöpfer einer Skizze also schon frühzeitig etwas von seinem Werk sehen, so musste er einen Farbstoff beimengen – Kohlenstoff, wie Olin meint.
Und auch für die Anatas-Spuren weiß die Forscherin eine Erklärung: "Die Eisenquelle mittelalterlicher Tinten ist grünes Vitriol, ein Eisensulfat." Nun können die Eisenvorkommen, aus denen das Sulfat stammt, auch mit dem Eisen-Titan-Mineral Ilmenit versetzt sein, was sich letztlich in einem gewissen Anatas-Gehalt niederschlagen würde. Zwar haben Wissenschaftler in den Farbpigmenten der Vinland-Karte keine Hinweise auf Ilmenit finden können, aber das hieße noch lange nicht, dass es nicht einst in dem Sulfat steckte, aus dem die Tinte hergestellt wurde.
Experimentell konnte Olin immerhin zeigen, dass eine Tinte, die mit Hilfe von Ilmenit aus grünem Vitriol hergestellt wird, durchaus Anatas, jedoch kein Ilmenit mehr enthält. Schließlich führt die Forscherin noch einen letzten Hinweis auf die Echtheit der Karte an: So enthalten die Farbpigmente Spuren eines ganzen Cocktails an weiteren Metallen, wie beispielsweise Kupfer, Aluminium und Zink. Diese Mischung würde sehr gut zu einer mittelalterlichen Produktionsmethode auf Basis grünen Vitriols passen, nicht jedoch zu neuzeitlicher Eisengallustinte. Diese würde solche Spuren aufgrund einer anderen Herstellung nicht mehr aufweisen. Kein Fälscher, so die Argumentation von Olin, hätte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts all diese Zusatzstoffe berücksichtigen, geschweige denn von ihnen wissen können.
Ist damit die Echtheit der Vinland-Karte beziehungsweise ihre Entstehungszeit vor Kolumbus bewiesen? Wohl kaum, denn schließlich hätte jemand auch noch nach Kolumbus seinen Federkiel auf dem alten Pergament schwingen können, um entweder eine komplett neue Weltkarte zu zeichen – vielleicht durchaus aus lauteren Beweggründen – oder um eine bestehende Karte mit hinzugekommenem Wissen zu ergänzen. Letztlich dürfte sich diese Frage erst klären lassen, wenn sich neben dem Alter des Pergaments auch das der Tinte bestimmen lässt. Dafür fehlen jedoch zurzeit noch die Verfahren und die Probenmengen sind zudem gering. Es wird also auch in Zukunft nicht an genug Raum für Spekulationen mangeln, für Spannung ist demnach auch weiterhin im Fall Vinland-Karte gesorgt.
Letztes Jahr gab es gleich zwei Veröffentlichungen, die in ihren Feststellungen unterschiedlicher kaum hätten sein können. So zeigte eine Arbeitsgruppe um Garman Harbottle vom amerikanischen Brookhaven National Laboratory, dass zumindest das Pergament, auf dem die Karte gezeichnet wurde, echt, also alt ist [1]. Ziemlich genau ließ sich ein Fetzen mit der Radiocarbonmethode und entsprechender Eichung in das Jahr 1434 datieren – ein paar Jahre mehr oder weniger vielleicht, aber deutlich vor 1492.
Ein Fälscher hätte sich also zumindest altes Arbeitsmaterial besorgen müssen – ein ziemlicher Aufwand, zumal die Karte schon in den 1950er Jahren auftauchte und sich zu diesem Zeitpunkt nur bedingt abzeichnete, welche Möglichkeiten die Radiocarbonmethode einmal bieten würde. Sei es drum, gewiss hätte der Betrug schon zu viel früheren Zeiten stattfinden können, und wer sagt, dass nicht eine Originalkarte im Nachhinein kunstvoll ergänzt wurde?
An ähnlicher Stelle setzte denn auch die Argumentation von Katherine Brown und Robin Clark vom University College London an [2]. Die Forscher vermuteten, dass die vermeintliche Echtheit in der Tinte stecke. Zwar wirken die Striche und Linien auf der Vinland-Karte auf den ersten Blick wirklich alt – der Eindruck entsteht durch die sich auflösende schwarze Schrift und die für Eisengallustinte typischen gelb-braunen Rückständen –, doch gerade diese Altersmerkmale halten die Londoner Forscher für gekonnte Fälschungen.
Denn spektroskopische Untersuchungen der schwarzen Linienreste wiesen auf Kohlenstoff hin, weshalb Brown und Clark darauf tippten, dass der unbekannte Schöpfer der Karte Kohlenstoff- anstelle von Eisengallustinte verwendete. Doch nur Eisengallustinte hinterlässt die unansehnlich-gelblichen Überreste. Ergo sei der Gelbfraß nur eine Effekthascherei, die Alter vorgaukeln solle. Dazu, so die Wissenschaftler, passe, dass nur in dem Gelb Spuren des Minerals Anatas gefunden wurden – eine Titandioxidform, die erst nach 1917 synthetisiert wurde.
Was sich durchaus schlüssig anhört, wird nun heftig von Jacqueline Olin kritisiert, die seinerzeit an der Radiocarbondatierung des Kartenpergaments beteiligt war [3]. "Die Gegenwart von Kohlenstoff in einer Tinte ist noch kein Hinweis darauf, dass es sich tatsächlich um Kohlenstoff-Tinte handelt", wirft die Forscherin ein. "Es könnte genauso gut Eisengallustinte sein, zu der Kohlenstoff als Farbstoff beigemengt wurde." Das ist offenbar durchaus keine Seltenheit gewesen, ist doch Eisengallustinte für sich genommen eine eher blasse Flüssigkeit, die erst im Laufe einiger Tage unter Sauerstoffaufnahme schwarz wird. Wollte der Verfasser eines Texts oder der Schöpfer einer Skizze also schon frühzeitig etwas von seinem Werk sehen, so musste er einen Farbstoff beimengen – Kohlenstoff, wie Olin meint.
Und auch für die Anatas-Spuren weiß die Forscherin eine Erklärung: "Die Eisenquelle mittelalterlicher Tinten ist grünes Vitriol, ein Eisensulfat." Nun können die Eisenvorkommen, aus denen das Sulfat stammt, auch mit dem Eisen-Titan-Mineral Ilmenit versetzt sein, was sich letztlich in einem gewissen Anatas-Gehalt niederschlagen würde. Zwar haben Wissenschaftler in den Farbpigmenten der Vinland-Karte keine Hinweise auf Ilmenit finden können, aber das hieße noch lange nicht, dass es nicht einst in dem Sulfat steckte, aus dem die Tinte hergestellt wurde.
Experimentell konnte Olin immerhin zeigen, dass eine Tinte, die mit Hilfe von Ilmenit aus grünem Vitriol hergestellt wird, durchaus Anatas, jedoch kein Ilmenit mehr enthält. Schließlich führt die Forscherin noch einen letzten Hinweis auf die Echtheit der Karte an: So enthalten die Farbpigmente Spuren eines ganzen Cocktails an weiteren Metallen, wie beispielsweise Kupfer, Aluminium und Zink. Diese Mischung würde sehr gut zu einer mittelalterlichen Produktionsmethode auf Basis grünen Vitriols passen, nicht jedoch zu neuzeitlicher Eisengallustinte. Diese würde solche Spuren aufgrund einer anderen Herstellung nicht mehr aufweisen. Kein Fälscher, so die Argumentation von Olin, hätte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts all diese Zusatzstoffe berücksichtigen, geschweige denn von ihnen wissen können.
Ist damit die Echtheit der Vinland-Karte beziehungsweise ihre Entstehungszeit vor Kolumbus bewiesen? Wohl kaum, denn schließlich hätte jemand auch noch nach Kolumbus seinen Federkiel auf dem alten Pergament schwingen können, um entweder eine komplett neue Weltkarte zu zeichen – vielleicht durchaus aus lauteren Beweggründen – oder um eine bestehende Karte mit hinzugekommenem Wissen zu ergänzen. Letztlich dürfte sich diese Frage erst klären lassen, wenn sich neben dem Alter des Pergaments auch das der Tinte bestimmen lässt. Dafür fehlen jedoch zurzeit noch die Verfahren und die Probenmengen sind zudem gering. Es wird also auch in Zukunft nicht an genug Raum für Spekulationen mangeln, für Spannung ist demnach auch weiterhin im Fall Vinland-Karte gesorgt.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.