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Astronomiegeschichte: Edwin Hubble entlastet

Der US-Astronom Edwin Hubble stand unter Verdacht, die Publikation eines ausländischen Kollegen manipuliert zu haben, um selbst den Ruhm zu ernten. Doch es war der Autor höchstselbst.
Edwin Hubble am 48-Zoll Schmidt-Teleskop des Palomar-Observatoriums
Georges Lemaître legte bereits 1927 in einem Aufsatz dar, dass das Universum expandiert. Als seine Publikation vier Jahre später ins Englische übersetzt wurde, verschwanden allerdings einige wichtige Absätze aus seiner Arbeit. Einige Amateurhistoriker und Wissenschaftler vermuteten daraufhin, ein parteiischer Redakteur oder gar der amerikanische Astronom Edwin Hubble selbst hätten die Publikation manipuliert. Mario Livio vom Space Telescope Science Institute in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland liefert nun den Gegenbeweis.

Edwin Hubble (1889-1953) | Der US-Astronom bestimmte die Fluchtgeschwindigkeiten von Galaxien und ermittelte die Expansionsrate des Universums.
Livio durchforstete die Archive der Royal Astronomical Society in London und stieß auf einen bisher unbeachteten Brief von Lemaître an den Herausgeber der Zeitschrift Monthly Notices der Royal Astronomical Society. Darin erklärt der belgische Kosmologe und Priester, dass er seine Veröffentlichung selbst aus dem Französischen ins Englische übersetzt und dabei absichtlich mehrere Absätze und Fußnoten weggelassen habe. Denn seiner Ansicht nach waren die betreffenden Erkenntnisse bereits durch neue Forschungsergebnisse überholt. Mit diesen Textstellen verschwanden auch jene Zeilen, in denen Lemaître den heute als Hubble-Gesetz bekannten Zusammenhang beschreibt und die Expansionsrate des Universums bestimmt.

Einige Wissenschaftler und Historiker mutmaßten dagegen, Hubble oder ein Sympathisant sei für das Fehlen dieser Passagen in der Übersetzung verantwortlich. Auf diese Weise habe man Lemaîtres Forschungsarbeit in der englischsprachigen Welt falsch darstellen wollen – mit Erfolg. Denn bisher schreibt man Edwin Hubble zu, die Expansion des Universums entdeckt zu haben. Er hatte die Geschwindigkeit und Distanz entfernter Galaxien verglichen und einen linearen Zusammenhang zwischen diesen beiden Größen festgestellt. Heute ist diese Relation als Hubble-Gesetz bekannt.

Lemaître habe diesen Zusammenhang nur theoretisch gefunden, so heißt es, abgeleitet aus den Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie. In seinem 1927 erschienenen französischen Aufsatz ermittelte er die Expansionsrate aber auch mithilfe von Beobachtungsdaten anderer Astronomen, darunter auch Hubble. Die Messwerte seien aber noch zu ungenau, um seine These zu validieren, kommentiert Lemaître in seiner ursprünglichen Veröffentlichung. Zwei Jahre später folgte Hubbles Aufsatz mit verbesserten Messungen, die das Hubble-Gesetz erstmals bestätigen.

Mit seiner Recherche entkräftet Livio die schweren Vorwürfe gegen Hubble, der die Arbeit von seinem Kollegen direkt oder indirekt manipuliert haben soll, um seine eigene Karriere voranzutreiben. Der Brief zeige zudem, schreibt Livio, dass Lemaître offenbar keinen gesteigerten Wert darauf legte, den wissenschaftlichen Prioritätsanspruch an seiner Entdeckung zu sichern.

Maike Pollmann

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