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News: Ein aussagefähiges Trio

Wenn zwei besonders miteinander verbundene Teilchen, zum Beispiel Photonen, in entgegengesetzte Richtungen fliegen, bleiben ihre Eigenschaften trotzdem fest gekoppelt. Dadurch 'weiß' jedes Teilchen sofort Bescheid, wenn seinem Partner irgend etwas zustößt - und sollte es sich gerade am anderen Ende des Universums aufhalten. Diese Aussage der Quantenmechanik veranlaßte die Physiker Albert Einstein, Boris Podolsky und Nathan Rosen, Zweifel an dieser Theorie anzumelden. Sie glaubten, die Partikel trügen einige versteckte Informationen mit sich, die in den Gleichungen nicht berücksichtigt sind. Niels Bohr verteidigte dagegen mit seiner Kopenhagener Interpretation entschieden die Vollständigkeit des quantenmechanischen Modells. Der Streit aus der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts kann womöglich demnächst experimentell entschieden werden. Wissenschaftlern ist es kürzlich gelungen, drei miteinander anscheinend 'magisch' verbundene Photonen herzustellen und zu vermessen. Damit sollten sie mit einem einzigen Versuch klären können, ob die Quantenmechanik recht hat.
Die Welt der Quantenmechanik ist anders als unsere Alltagswelt. Während es in der klassischen Physik entweder "hüh" oder "hott" heißt, kann im Quantenmodell beides zugleich gelten. Vermag ein Ball zu einem Zeitpunkt nur aufwärts oder abwärts zu rotieren, ist es für ein Elektron dagegen unter bestimmten Umständen möglich, in einer Überlagerung zweier Zustände vorzuliegen, von denen einer durch einen Spin nach oben und der andere durch einen Spin nach unten gekennzeichnet ist.

Dummerweise können wir die Quantenobjekte nicht in ihrem unentschiedenen Zustand betrachten. Sobald Wissenschaftler eine Messung vornehmen, brechen sie den Zauber – das Teilchen nimmt einen der vormals überlagerten Zustände ein und verhält sich, wie es sich für ein klassisches Teilchen gehört. Welchen der möglichen Zustände es allerdings auswählen wird, vermag vor der Messung niemand zu sagen. Die Behauptung, es gäbe diesen unentschiedenen Zustand wirklich, wird somit lediglich von statistischen Experimenten gestützt.

Die Kuriosität der Quantenwelt wird noch geheimnisvoller bei Betrachtung sogenannter "verschränkter" Teilchenpaare. Diese werden meist durch einen Laserstrahl erzeugt, der auf besondere Kristalle schießt. Dabei entstehen Photonenpaare, die durch ihre gemeinsame Geburt miteinander eng verbunden sind. Zu ihrer Beschreibung reicht eine einzige Schrödinger-Gleichung aus, welche die Wellenfunktion beider Photonen wiedergibt. Auch wenn die Photonen in entgegengesetzte Richtungen davonstreben, ist es weiterhin so, als seien sie auf gewisse Weise nur ein Teilchen. Die Eigenschaften der verschränkten Photonen sind miteinander gekoppelt, so daß ihre Kombination stets der Wellenfunktion entspricht. Ist zum Beispiel das Photon A gerade horizontal polarisiert, muß Photon B zur gleichen Zeit vertikal polarisiert sein.

Nun kann sich aber jedes der Photonen in einer Überlagerung der beiden Polarisationszustände befinden. Erst wenn die Polarisation eines der beiden Teilchen gemessen wird, 'entscheidet' dieses sich für einen der Zustände. Aufgrund der Verschränkung muß das andere Photon im gleichen Augenblick den dazugehörenden Gegenzustand einnehmen. Dabei ist der Abstand zwischen den Teilchen unwichtig – selbst wenn das ganze Universum dazwischen liegt, reagiert Photon B sofort auf die Messung an Photon A.

Mit diesem sogenannten EPR-Paradoxon wollten Albert Einstein, Boris Podolsky und Nathan Rosen zeigen, daß die Welt der Quantenmechanik unvollständig war. Nach der Speziellen Relativitätstheorie ist es schließlich unmöglich, daß Photon B schneller als mit Lichtgeschwindigkeit die Information über die nunmehr endgültige Polarisationsrichtung des Photons A erhält. Also mußte der Widerspruch zwischen den beiden machtvollen Theorien irgendwie geklärt werden, oder die Quantenmechanik erfaßt eben doch nicht alle Informationen über die beiden Teilchen zum Zeitpunkt ihres Entstehens.

Die drei großen Physiker postulierten folglich die Existenz versteckter Variablen, die noch unbekannte Eigenschaften beschreiben. Damit könnte Photon B schon lange vor der Messung der Polarisation von Photon A wissen, welche Eigenschaften sein Partner hat. Die versteckten Variablen sollten zudem lokalen Charakter haben – sie bräuchten also nicht augenblicklich über beliebige Strecken weitergegeben zu werden. Niels Bohr, einer der Gründer der Quantenmechanik, lehnte diese Überlegungen mit seiner Kopenhagener Interpretation strikt ab.

Im Jahre 1964 veröffentlichte John S. Bell die Beschreibung eines Experiments, mit dem der Disput geklärt werden könnte. Er stellte sein Ungleichheits-Prinzip auf, das nur dann erfüllt wird, wenn es keine versteckten Variablen gibt. Doch die Umsetzung des Versuches erwies sich als so schwierig, daß erst jetzt einige Arbeitsgruppen dem Ziel näher kommen.

Eine saubere Entscheidung setzt die Verschränkung von drei oder mehr Teilchen voraus, die räumlich deutlich getrennt sind. Einem Wissenschaftlerteam von der Universität Innsbruck unter der Leitung von Harald Weinfurter und Anton Zeilinger gelang jetzt die Synthese dieses Greenberger-Horne-Zeilinger-Zustands (Physical Review Letters vom 15. Februar 1999, Abstract). Sie lenkten einen Laserstrahl auf einen speziellen Kristall, wodurch manchmal zwei Photonen zugleich in jeweils ein verschränktes Photonenpaar gespalten wurden. Drei der vier Photonen wurden durch ein System von polarisationsabhängigen Strahlteilern und anderen optischen Bauteilen gelenkt, bis nicht mehr erkennbar war, welche Photonen zusammen gehörten. Bereits in früheren Arbeiten hatten die Physiker gezeigt, daß dadurch die drei Teilchen miteinander verschränkt werden konnten (Physical Review Letters vom 4. Mai 1998, Abstract). Anschließend wurden die drei Photonen auf Detektoren zugesteuert. Vor jedem dieser Meßgeräte standen ein Polarisationsfilter und ein optischer Verschluß, die von dem vierten, nicht mit-verschränkten Photon angesteuert wurden. Die Ausrichtung der Polarisatoren war so gewählt, daß alle drei nur dann zugleich ansprachen, wenn die Photonen verschränkt waren.

Die Messungen lassen der Welt übrigens ihre Rätsel und Zauber: Die Quantenmechanik hat wohl doch recht.

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