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News: Ein Baum ist ein Baum ist ein Baum

Wer je in einem dichten Regenwald stand, wird kaum daran zweifeln, dass die Bäume hier viel mehr Biomasse binden als beispielsweise im Schwarzwald. In den äquatorialen Regionen, das liegt nahe, wachsen die Bäume dichter und höher, und produzieren ergo auch mehr Biomasse. Doch was offensichtlich scheint, ist falsch.
Ein Baum, der es in einem Wald zu etwas bringen will, muss ein guter Stratege sein. Der Lebensraum ist begrenzt, und nur wer möglichst rasch wächst, bekommt genügend Sonnenlicht ab. Es wäre also plausibel zu denken, dass die Bäume in den tropischen Wäldern mehr Biomasse binden als ihre Genossen in den gemäßigten Breiten. Doch weit gefehlt, denn eine statistische Auswertung von Brian Enquist vom Department of Ecology and Evolutionary Biology der University of Arizona und Karl Niklas vom Department of Plant Biology der Cornell University zeigte, dass der Standort – was die Produktion von Biomasse betrifft – ziemlich gleichgültig ist. Auch die unterschiedliche Artenvielfalt scheint darauf ohne Einfluss zu sein.

Um die Verteilung der Biomassen in hohen und niedrigen Breiten zu vergleichen, konnten die Forscher auf einen außergewöhnlich umfangreichen Datensatz zurückgreifen. Er stammt von Alwyn Gentry, einem Botaniker, der 1993 bei einem Flugzeugabsturz in Ecuador ums Leben kam. In der ganzen Welt hatte Gentry die natürlichen Waldbestände erforscht und erhob auf allen Kontinenten systematische Daten, egal ob in 20 oder in 3000 Metern Höhe über dem Meeresspiegel.

Während die tropischen Wälder bisweilen mehr als 300 unterschiedliche Baumarten beherbergen, sind es im hohen Norden – oder Süden – manchmal nur zwei oder drei. Gentrys Datensätze eigneten sich vor allem deshalb so vorzüglich für eine statistische Betrachtung, weil sie in hohem Maße vergleichbar sind und die absoluten Zahlen und Dimensionen einzelner Baumarten in verschiedenen Klimaregionen umfassen. Seine Daten bildeten die Grundlage für eine Computersimulation, aus der sich für jeden der fast 230 Standorte die statistische Verteilung der Stammdurchmesser errechnen und daraus die überirdische Biomasse abschätzen ließ.

Sodann ließen die Forscher ihre Modellbäume nach einem schlichten Schema wachsen, indem die Sonnenenergie allein in das Wachstum von Blättern, Stämmen und in die Fortpflanzung fließt. Auf dem Bildschirm konnten sie dann beobachten, wie ein Wald wuchs, wie die Bäume untereinander konkurrierten, sich die einen der Sonne entgegenstreckten, während andere verkümmerten und abstarben. Doch sobald sich zwischen Leben und Tod ein Gleichgewicht einstellte, unterschieden sich die Modellwälder in den gemäßigten Regionen praktisch nicht von denen in Äquatornähe.

Auch die Biodiversität, die Anzahl unterschiedlicher Arten in einem Gebiet, spielt bei der regionalen Verteilung der Biomasse ganz offenbar keine Rolle. "Egal, um welche Art es sich handelt, alle Bäume konkurrieren in gleicher Art und Weise um Sonnenlicht und Lebensraum", berichtet Niklas. Und dabei setzen sie auf ganz ähnliche Strategien. Obgleich sich die Baumarten in den hohen und niedrigen Breiten also stark voneinander unterscheiden, ist die Verteilung der Baumstammdicken – und somit der Biomasse – in vergleichbar großen Gebieten beinahe identisch. Der Grund dafür ist einfach, denn, so Niklas, "was die Eroberung des Lebensraums und den Drang nach Licht betrifft, ist ein Baum ein Baum ein Baum."

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  • Quellen
Nature 410: 655–660 (2001)

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