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News: Ein chemisches Mikroskop für die Nanotechnik

Durch eine Kombination von Rastersondenmikroskopie und Infrarotspektroskopie ist es Physikern am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried gelungen, zum ersten Mal gleichzeitig die geometrische Oberflächenstruktur und die chemische Zusammensetzung feinster, nur 100 Nanometer großer Materialstrukturen aufzuklären.
Neuere Entwicklungen in der modernen Mikroskopie beruhen darauf, daß winzige Tastspitzen nahe einer zu untersuchenden Oberfläche bewegt werden und dort schwache elektrische Ströme oder kleine mechanische Kräfte aufzeichnen, die dann im Computer zu einem Reliefbild der Oberfläche zusammengesetzt werden. Die Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Biochemie haben nun herausgefunden, daß so eine Tastspitze auch die infraroten Schwingungen des Oberflächenmaterials erfassen kann, und damit die chemische Zusammensetzung des Materials "erfühlt" (Nature vom 13. Mai 1999). Damit haben sie die Grundlagen für ein neuartiges Infrarotmikroskop entwickelt, das die chemische Identität jedes Materials mit einer Auflösung von mindestens 100, möglicherweise sogar weniger als 10 Nanometern genau anzeigen und bildhaft darstellen kann. Ein solches "chemisches" Mikroskop eröffnet neue Einblicke in einer Vielzahl von Forschungsgebieten, von der Oberflächenphysik und -chemie über die Materialforschung an Polymeren, Halbleitern, Supraleitern und Biomaterialien bis hin zur Medizin.

Das Auflösungsvermögen des klassischen Lichtmikroskops ist durch die Wellenlänge des Lichts auf etwa einen halben Mikrometer begrenzt. Will man nun Nanometer große Strukturen abbilden, deren Untersuchung in der Elektronik, in der Materialforschung und in der Biologie immer wichtiger wird, muß man auf die Elektronenmikroskopie ausweichen, die allerdings stets besondere Präparationsmethoden und die Untersuchung im Vakuum verlangt. Weniger aufwendig ist die Präparation für die Rastersondenmikroskopie, wie das STM (Tunnelmikroskop) oder AFM (Kraftmikroskop). Beide benutzen eine scharfe Abtastspitze, die sehr nahe der zu untersuchenden Oberfläche bewegt wird. Dabei werden über die Tastspitze schwache elektrische Ströme oder kleine mechanische Kräfte registriert und im Computer zu einem Reliefbild zusammengesetzt. Diese Methode erlaubt allerdings keine Aussagen darüber, aus welchen chemischen Verbindungen diese Oberflächenstrukturen bestehen.

Die Physiker am Max-Planck-Institut für Biochemie zeigen nun, daß diese Informationen mit Infrarotstrahlen gewonnen werden können. Grundlage dafür ist die seit langem bekannte sogenannte resonante Schwingungsabsorption, die für jede chemische Verbindung im Infrarotbereich ein charakteristisches Spektrum aufweist. Auf diesem Effekt beruhen die Infrarotspektrometer, die in der physikalischen oder biologischen Forschung, aber z.B. auch zur Qualitätskontrolle in der Chemischen Industrie und in der Mikroelektronik eingesetzt werden. Den Wissenschaftlern ist es nun gelungen, diese mit relativ langen Wellenlängen arbeitende Infrarot-Spektroskopie mit der Abtastspitze eines Rastersondenmikroskops zu kombinieren.

In ihrem Experiment bewegt sich eine feine Metallspitze (Sonde) entlang einer aus zwei verschiedenen Materialien zusammengesetzten Polymerprobe. Das Relief der Oberfläche wird dabei in der üblichen Manier eines Atomic Force Microscope (AFM) aufgezeichnet. Gleichzeitig wird die Sonde von einem Infrarotstrahl beleuchtet, und das reflektierte Streulicht aufgezeichnet. Die Infrarotstrahlung wird dabei wie durch eine Antenne an der vordersten Spitze der Sonde konzentriert und zugleich lokal von der Probe absorbiert. Das derart bei der Abtastung gewonnene Infrarotbild wird im Computer zusammen mit dem Rastersonden-Reliefbild dargestellt. Die Stellen, die mehr Infrarotlicht absorbieren, sind anhand dunklerer Kontraste erkennbar. Ändert sich die Wellenlänge des Infrarotlichts, verändert sich auch der Kontrast entsprechend.

Die Wissenschaftler beschreiben in ihrem Letter to Nature den grundlegenden Mechanismus, wie das Material durch eine metallische Tastspitze identifiziert wird. Dazu gehört auch eine theoretische Beschreibung der Infrarot-Nahfeld-Wechselwirkung. Diese führt insbesondere zu einer Kontrastverstärkung, wodurch auch schwächer absorbierende Materialien erkannt werden können. Der Verstärkungseffekt konnte im Experiment bereits ansatzweise bestätigt werden. Er beruht darauf, daß die beweglichen Elektronen in der Metallspitze die Absorptionsfähigkeit des Untersuchungsmaterials erhöhen. Zugleich wird dadurch das Auflösungsvermögen des Mikroskops gesteigert.

Bisher gibt es keine andere Technik, mit der die chemische Zusammensetzung eines Materials im Mikro- bzw. Nanometerbereich identifiziert werden könnte. Das optische Mikroskop ist quasi "blind" für die spezifischen Absorptionsresonanzen eines Materials, da diese im infraroten Wellenlängenbereich zwischen drei und dreizig Mikrometern liegen. Mit ihrer Entwicklung haben die Martinsrieder Wissenschaftler die Grundlage für ein universell einsetzbares "hochauflösendes" Infrarotmikroskop gefunden.

In einem nächsten Schritt beabsichtigen die Forscher, mit zwei oder mehreren Infrarotwellenlängen Abbildungen simultan zu erzeugen. Letztlich soll künftig ein breites Frequenzband genutzt werden. Die dafür benötigten speziellen Laser stehen inzwischen zur Verfügung. Daneben geht es um die Entwicklung schärferer Tastspitzen, eine bessere optische Ankopplung und um stabilere mechanische Aufbauten als bisher. Das angestrebte "chemische Mikroskop" wird damit in der Lage sein, an jedem Bildpunkt einer Materialoberfläche ein vollständiges Infrarotspektrum zu erzeugen und damit jedes beliebige Material zu identifizieren.

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