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News: Ein dickes Loch

Mikroquasare sind Doppelsysteme, in denen ein normaler Stern und ein Schwarzes Loch einander umkreisen. Für Astronomen sind das einmalige Laboratorien, denn hier lassen sich vielfältige Zusammenhänge zwischen rotierenden Schwarzen Löchern und ihren Partnern studieren. Doch der Mikroquasar GRS 1915+105 beinhaltet das schwerste Schwarze Loch seiner Art in der Milchstraße und bringt manche Theorie ins Wanken.
GRS 1915+105
Am anderen Ende der Milchstraße, rund 40 000 Lichtjahre von uns entfernt, liegt der Mikroquasar GRS 1915+105, ein Doppelsystem aus normalem Stern und Schwarzem Loch. Genau wie bei den "echten" Quasaren - Galaxien, in deren Zentrum Schwarze Löcher mit bis zu einer Milliarde Sonnenmassen liegen - bilden auch die Schwarzen Löcher der Mikroquasare typische Jets aus. Allerdings sind diese nicht wie bei den Quasaren ein Jahrzehnt lang zu beobachten, sondern nur für einige Tage oder Wochen.

Die hohe Geschwindigkeit dieser Teilchenströme von über 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit steht - so die Theorie - in direktem Zusammenhang mit der Rotationsgeschwindigkeit des Schwarzen Lochs. Im Fall von GRS 1915+105 müsste die Drehgeschwindigkeit des Schwarzen Lochs deshalb beinahe ihr von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorgegebenes Maximum erreichen.

Eine Folge dieser Rotation ist vermutlich ein Phänomen, das sich bei vielen Röntgenquellen beobachten lässt und auch bei GRS 1915+105: die quasi-periodischen Oszillationen (QPO). Diese QPO entstehen, wenn Materie von dem normalen Stern entlang spiralförmiger Bahnen in das Schwarze Loch stürzt. Je näher sie dem Schwarzen Loch kommt, umso stärker beschleunigt sie sich in der Akkretionsscheibe und heizt sich auf. Dabei emittiert sie Röntgenstrahlung, die typische Frequenzschwankungen von bis zu 100 Hertz aufweist. Gemeinhin geht man davon aus, dass diese QPO im Röntgenspektrum umgekehrt proportional zur Masse des Schwarzen Loches sind.

Fassen wir also zusammen: Die Jets deuten auf die hohe Rotationsgeschwindigkeit des Schwarzen Lochs, die ihrerseits zu den Frequenzsschwankungen der Röntgenstrahlung führt. Und aus diesen QPO lässt sich schließlich die Masse des Schwarzen Lochs ableiten.

Ob dem wirklich so ist, ließ sich bislang nur an einem einzigen anderen Mikroquasar nachprüfen, dessen Schwarzes Loch eine fünf- bis siebenfache Sonnenmasse aufweist. Dessen QPO betragen nur ein Viertel derer von GRS 1915+105, weshalb viele Forscher davon ausgehen, dass das Schwarze Loch des Mikroquasars GRS 1915+105 also umgekehrt proportional dazu viermal so massereich sein müsse.

Nun ist die Bestimmung der Masse eines Schwarzen Loches eigentlich nichts sonderlich Kompliziertes, das Handwerkzeug dazu stammt aus dem 17. Jahrhundert von Johannes Kepler. Allerdings benötigt man dazu die Bahndaten des Sterns, die vornehmlich von dem optischen Spektrum überliefert werden. Nur, GRS 1915+105 liegt ziemlich genau in der Ebene der Milchstraße, sodass Staub- und Gaswolken eben diese Strahlung absorbieren.

Doch jetzt ist Jochen Greiner vom Astrophysikalischen Institut Potsdam und seinen Kollegen mithilfe der Infrared Spectrometer And Array Camera (ISAAC) am neuen 8,2-Meter-ANTU-Teleskop des ESO Paranal Oberservatory doch noch die Messung eines Spektrums gelungen; ein schwaches nur und nicht im optischen Bereich, sondern im infraroten. Doch es genügte zur Bestimmung der Bahnparameter, der Geschwindigkeit des Sterns und der Richtung der Jets. So war die Masse des Schwarzen Lochs schnell errechnet.

Doch das Ergebnis verwirrt, einerseits ist das Schwarze Loch im Mikroquasar GRS 1915+105 mit rund 14 Sonnenmassen immerhin das massereichste bekannten Schwarze Loch seiner Art in unserer Milchstraße, andererseits ist es masseärmer als erwartet. Der bislang angenommene Zusammenhang zwischen Masse und QPO ist also dahin: Das Schwarze Loch ist nicht vier-, sondern nur zweimal so massereich wie die Prognose auf der Basis der QPO.

Warum dies so ist, darüber können die Forscher nur spekulieren. Vielleicht ist die Annahme, dass Jets auf eine fast maximale Umdrehungsgeschwindigkeit hinweisen, schlichtweg falsch, vielleicht haben auch die QPO damit nichts zu tun. Wie schreibt Charles Bailyn von der Yale University in seinem Kommentar doch so schön: Seit seiner Entdeckung im Jahr 1994 habe GRS 1915+105 bereits viele Hundert Veröffentlichungen angestoßen - und werde dies wohl auch in Zukunft tun.

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