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News: Ein gefundenes Fressen

Radioaktiv verseuchte Gebäude müssen aufwendig restauriert werden. Das Entfernen der kontaminierten Betonoberflächen ist eine teure und für die Arbeiter auch gefährliche und gesundheitsschädliche Aufgabe. Zwar langsamer, aber mindestens genauso erfolgreich könnte in Zukunft vielleicht ein Bakterium diese Aufgabe übernehmen. Wissenschaftler entwickelten eine Paste mit dem Mikroorganismus, seinem Lieblingsfutter und einem Trägermittel, die - auf die verseuchten Stellen aufgetragen - die Oberfläche einfach ablöst.
Die Entsorgung von radioaktiv verseuchtem Beton ist eine schmutzige, gefährliche und teure Angelegenheit. Die obersten Millimeter der Oberfläche müssen abgesprengt oder abgehobelt werden, wodurch die Arbeiter radioaktiver Strahlung und verseuchtem Staub ausgesetzt sind. Wissenschaftler der British Nuclear Fuels (BNFL) und des Idaho National Engineering and Environmental Laboratory (INEEL) lassen die Arbeit nun betonzersetzende Bakterien machen (New Scientist vom 9. Oktober 1999).

Das Bakterium Thiobacillus thiooxidans ist unter Architekten und Bauherren gefürchtet, da es Betonbauten und -brücken angreift. Es verarbeitet die schwefelhaltigen Verbindungen und stellt dabei verdünnte Schwefelsäure her, die sich in den Beton frißt. Genau diese Eigenschaft machten sich die Forscher zunutze. Sie vermischten die Bakterien mit Schwefel und einem inertem Andickungsmittel auf Cellulosebasis. Die entstandene hellgelbe Paste erinnert sehr an Vanillepudding, die nun wie auf einen Kuchen auf Häuswände und andere Betonoberflächen gestrichen werden kann.

Für das Gedeihen der Mikroorganismen ist eine Luftfeuchtigkeit von etwa 95 Prozent nötig, die mit Luftbefeuchtern sichergestellt wird. Haben die Bakterien genug Beton durch die Schwefelsäure abgeknabbert, läßt man die Paste einfach trocknen – denn das überleben die Zellen gemäß Melinda Hamilton vom INEEL nicht. Die Überreste des Gels und der abgeplatzte, radioaktiv verseuchte Schutt werden eingesammelt, in Betonbehältern versiegelt und an entsprechenden Lagerstätten aufbewahrt.

Bei Laborversuchen stellten die Wissenschaftler fest, daß sich die Bakterien mit einer Geschwindigkeit von nur etwa einem Zentimeter pro Jahr durch den Beton fressen. Das ist zwar nicht sehr schnell, wie Tim Milner vom BNFL zugibt, aber es gehe ja auch nur um ein paar Millimeter. Die geringeren Kosten und die einfache Handhabung wiegen seiner Meinung nach den Nachteil deutlich auf.

Nach vier Jahren Forschung soll nun die Probe aufs Exempel an der Wiederaufbereitungsanlage Sellafield erfolgen. In den nächsten zwei Wochen wird es auf die Wand eines Durchgangs aufgetragen, der während eines Feuers im Jahre 1957 verseucht wurde.

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