Esskultur: Ein gemeinsamer Teller verbindet
Eine gemeinsame Mahlzeit bringt Menschen zusammen – besonders, wenn es sich um die gleiche Speise handelt. Aber kommt es auch auf die Tischsitten an? Das untersuchten die Psychologinnen Kaitlin Woolley von der Cornell University und Ayelet Fishbach von der University of Chicago am Beispiel von Verhandlungen, zu denen sie Fremde und Freunde an einen Tisch brachten. Das Ergebnis schildern sie in der Fachzeitschrift »Psychological Science«: Nachdem Freunde oder Fremde Snacks aus einem gemeinsamen Schälchen gegessen hatten, einigten sie sich schneller, als wenn jeder ein eigenes Schälchen vorgesetzt bekam.
Im ersten ihrer Experimente ließen die Forscherinnen rund 200 Studierende und Doktoranden jeweils zu zweit miteinander verhandeln. Dabei sollte eine Versuchsperson die Rolle eines Gewerkschaftsvertreters einnehmen und einen höheren Lohn fordern, die andere in der Rolle des Managements den Lohn möglichst niedrig halten. Es galt, sich innerhalb von maximal 22 Verhandlungsrunden mittels schriftlicher Angebote zu einigen, wobei nach den beiden Eröffnungsangeboten jede weitere Runde einen »Streiktag« mehr bedeutete und beide Seiten fiktives Geld kostete. Dem erfolgreichsten Teilnehmer – gemessen am verhandelten Lohn und der Anzahl Streiktage – wurden 50 (echte) Dollar in Aussicht gestellt.
In der Tischmitte befanden sich dabei entweder für beide gemeinsam eine Schale mit 40 Gramm Tortilla-Chips und eine mit 50 Gramm Salsa-Soße, oder beide hatten jeweils eine Schale mit 20 Gramm Chips und eine mit 25 Gramm Salsa vor sich. Unter dem Vorwand, dass es bei der Studie um die Folgen von Hunger ging, sollten die Versuchspersonen die gesamten Chips schon vor Verhandlungsbeginn essen. Dann feilschten sie um den Lohn.
Die Teams mit gemeinsamen Schalen kamen im Schnitt auf neun Streiktage, bis sie sich auf einen Lohn einigen konnten, und damit auf vier Tage weniger als Verhandlungspartner, die aus getrennten Schalen gegessen hatten. Als Woolley und Fishbach das Experiment gezielt mit befreundeten und mit einander fremden Teilnehmern wiederholten, erreichten Freunde zwar im Schnitt schneller einen Deal als Fremde. Aber erneut sorgte in beiden Fällen das Essen aus einem gemeinsamen Schälchen für eine schnellere Einigung.
Die Psychologinnen glauben, dass das koordinierte Zugreifen das Konkurrenzdenken beim Verhandeln minderte. Womöglich, spekulieren sie weiter, ließen sich damit auch Unterschiede zwischen kollektivistischen und individualistischen Kulturen erklären. In China und Indien etwa sei das Essen von gemeinsamen Tellern verbreitet; so könnten Menschen schon früh kooperatives Verhalten lernen. Für manche Familien ganz interessant: Mit der Wahl eines entsprechenden Restaurants – oder zumindest einer gemeinsamen Dessertplatte – lassen sich vielleicht verhärtete Fronten aufweichen. In jedem Fall empfehlen die Forscherinnen, sich privat und geschäftlich zum Essen zu treffen: »Eine Mahlzeit, die man allein einnimmt, ist eine verpasste Gelegenheit.«
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