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News: Ein gut gestimmtes Ohr

Die meisten Tiere stellen ihre sensorischen Systeme in einer Weise ein, daß sie am besten auf die Signale reagieren, die ihnen am wichtigsten sind. Für die Ohren könnte dies der Ruf eines Männchens oder Weibchens sein, das Geräusch eines sich nähernden Raubtieres oder das Alarmsignal des Nachwuchses. Was geschieht, wenn diese unterschiedlichen Ziele miteinander in Konflikt geraten? Zumindest Grillen haben Mechanismen entwickelt, ihr Ohr bestimmten Gelegenheiten anzupassen.
Heiner Römer von der Karl-Franzens-Universität in Graz und Winston Bailey von der University of Western Australia in Nedlands beschreiben die neuartige Hörstrategie der Buschgrille, Sciarasaga quadrata, die in dem geräuschvollen Heideland von Südwest-Australien lebt (Journal of Experimental Biology). Die meisten Geräusche in ihrer Umgebung fallen in den Frequenzbereich von 10 bis 30 kHz. Es gibt extreme viele Hintergrundgeräusche, so daß die Grille entweder sehr laut singen oder ihren Ton ändern muß, um ihren eigenen Ruf im Stimmengewirr potentieller Männchen bzw. Weibchen hörbar zu machen. Um zu vermeiden, daß sie eine leichte Beute für Räuber wird, hat sie die zweite Möglichkeit gewählt und ihren Ton modifiziert – sie ruft nun mit der viel niedrigeren Frequenz von 5 kHz. Die Struktur der Flügel veränderte sich so, daß eine niedrigere Schwingungsfrequenz als bei anderen Arten entstand. Aber was passierte mit ihren Ohren?

Die Ohren befinden sich bei Grillen unterhalb der Knie an den Vorderbeinen. Sie bestehen aus einer Öffnung, die zu einer Membran führt, welche als Trommelfell dient. Ist die Öffnung vollständig frei, reagiert das Gehör der Grille am empfindlichsten auf die Frequenzen in der Umgebung – insbesondere im Bereich 10-20 kHz. Bei den meisten Grillenarten ist dies dauernd der Fall. Die Forscher entdeckten jedoch, daß diese bestimmte Spezies der Grille ihre Ohröffnung schließen kann.

Indem sie diesen Kanal zum Trommelfell verschließt, dringen Geräusche über einen anderen Weg ein. Das Ohr verliert die Feinabstimmung auf die üblichen 10-20 kHz und wird für einen breiteren Frequenzbereich aufnahmebereit. Zu ihrer Überraschung entdeckten die Forscher, daß "die Ohren empfindlicher auf niedrige Frequenzen reagieren, wenn die Öffnung vollständig oder teilweise verschlossen ist." Diese Abstimmung auf die Ruffrequenz kann sehr genau sein.

Aber warum hat sich das Ohr nicht permanent angepaßt, als sich die Ruffrequenz änderte? Die Forscher argumentieren, daß sich die Grille den Vorteil bewahrt hat, mit der freien Öffnung ein breites Frequenzband wahrzunehmen, um so Raubtiere besser entdecken zu können. Sie hat die perfekte Form des selektiven Hörens entwickelt, wobei sie den Klang potentieller Partner ignorieren kann, wenn sie nicht mehr an ihnen interessiert ist.

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