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Ein Jahr Affenpocken in Europa: Die Gefahr durch Affenpocken ist nicht vorbei

Seit Mai 2022 greifen die Affenpocken erstmals auch außerhalb Afrikas um sich. Die Zahl der Fälle ist zwar um 90 Prozent gesunken, Entwarnung gibt es von der WHO aber nicht. Im Gegenteil.
Darstellung von Affenpockenviren
Affenpockenviren sind eng mit den Menschenpockenviren verwandt. Eine Erkrankung verläuft allerdings in den meisten Fällen deutlich milder. (Illustration)

In Deutschland sind die Affenpocken, die mittlerweile international den Namen Mpox tragen, ein Jahr nach Beginn des globalen Ausbruchs kaum noch ein Thema. Für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört der Erreger dennoch zu den drei gefährlichsten Virengruppen aus der Tierwelt. Sie sollten ständig überwacht werden, mahnen Experten. »Wir könnten in drei Jahren eine Virusvariante haben, die deutlich weniger gut einzudämmen ist – das ist ein echtes Risiko«, sagte WHO-Affenpockenexpertin Rosamund Lewis der Deutschen Presseagentur.

Vor einem Jahr begann das Mpox-Virus, das bis dahin praktisch nur aus wenigen afrikanischen Ländern bekannt war, sich weltweit in größerem Stil von Mensch zu Mensch auszubreiten. Großbritannien meldete der WHO den ersten Fall aus Europa am 7. Mai 2022, insgesamt zählte die Organisation seit Anfang 2022 mehr als 87 000 Mpox-Fälle aus 111 Ländern (Stand 25. April), darunter 130 Todesfälle.

Auch Deutschland war unter den zehn Ländern mit den höchsten Fallmeldungen, hinter den USA mit mehr als 30 000 Fällen, Brasilien, Spanien, Frankreich, Kolumbien, Mexiko, Peru und Großbritannien. Über die Verbreitung sagt das allerdings nur bedingt etwas aus: Nicht alle Länder haben ein gutes Überwachungssystem. Vor allem in afrikanischen Ländern gibt es nach WHO-Angaben begrenzte Testmöglichkeiten.

In Deutschland wurden dem Robert Koch-Institut (RKI) seit Mai 2022 knapp 3700 Mpox-Fälle und kein Todesfälle übermittelt (Stand 28. April). Nach einem starken Anstieg gingen die Fallzahlen ab August deutlich zurück. Die große Mehrheit der Infizierten waren Männer, weniger als ein Prozent Frauen, Jugendliche und Kinder. Seit Ende Januar 2023 wurde laut RKI kein Fall mehr registriert. Das RKI warnt aber, dass die Zahlen steigen könnten, etwa, wenn im Frühjahr wieder mehr Veranstaltungen mit vielen Teilnehmern stattfinden.

Globale Ausbreitung könnte zum Problem werden

Die WHO stuft das Virus deshalb bis heute als »Gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite« (PHEIC) ein. Das ist der höchste Alarm, den die WHO verhängen kann. »Es ist Besorgnis erregend, dass es aus seiner ökologischen Nische in Zentral- und Westafrika herausgetreten ist«, sagte die Direktorin der WHO-Abteilung für Epidemie- und Pandemievorbereitung, Sylvie Briand, in Genf. »Das Virus könnte sich verändern, ansteckender werden oder eine anfällige Bevölkerungsgruppe infizieren, die bisher verschont geblieben ist«, etwa Schwangere oder Kleinkinder. »In diesen Gruppen könnte die Krankheit einen deutlich schwereren Verlauf nehmen.« Bislang waren vor allem, aber nicht ausschließlich Männer betroffen, die Sex mit Männern haben.

Obwohl inzwischen viele der neu betroffenen Länder die Ausbrüche gut unter Kontrolle haben, ist die Lage nicht wie zuvor: Statt in einigen wenigen Ländern ist das Mpox-Virus nun weltweit verbreitet – und kann jederzeit dafür sorgen, dass die Fallzahlen lokal wieder nach oben schnellen. Dazu trägt unter anderem die Tatsache bei, dass nur wenige Menschen schützende Verhaltensänderungen über eine lange Zeit hinweg beibehalten dürften. Diese beinhalten etwa, sich als Betroffener während der Krankheitsdauer von zwei bis vier Wochen zu isolieren, da das Virus vor allem durch engen Körperkontakt übertragen wird. Auch die Impfungen, die das Risiko einer Ansteckung deutlich verringern können, sind in Deutschland eher ungleichmäßig verteilt: Bis Ende 2022 entfiel rund die Hälfte aller Impfungen in Deutschland auf Berlin. Die Impfung wird derzeit Menschen empfohlen, die ein besonders hohes Risiko tragen, sich anzustecken. Dazu zählen etwa Männer, die Sex mit Männern haben, Menschen mit häufig wechselnden Sexualpartnern sowie Personen, die vor Kurzem Kontakt zu Infizierten hatten.

Hinzu kommt, dass Mpox selbst in Ländern mit gutem Erfassungssystem für Infektionen unterdiagnostiziert sein dürfte. Das liegt auch daran, dass die Krankheit nicht immer leicht zu erkennen ist. Die Betroffenen klagen meist über Fieber-, Kopf- und Muskelschmerzen, im späteren Krankheitsverlauf zeigt sich schließlich der pockentypische Hautausschlag mit Pusteln. Da die Symptome durchaus variabel sind, können Mpox aber auch mit anderen Infektionskrankheiten wie Röteln verwechselt werden. Zudem gehen Experten davon aus, dass einige Infizierte aus Angst vor Stigmatisierung den Gang zum Arzt scheuen. Das könnte dazu führen, dass neue Ausbrüche erst dann erkannt werden, wenn bereits eine Vielzahl von Menschen betroffen ist.

Neue Ausbrüche in Japan und Frankreich

Nicht in allen Regionen der Welt sinkt die Zahl der Infizierten. In Japan sind die Fallzahlen seit Beginn des Jahres 2023 merklich angestiegen. Grund dafür ist ein Ausbruch, durch den es zu anhaltenden lokalen Ansteckungen kommt. Auch für die Region Centre-Val de Loire in Frankreich meldete die WHO Anfang April 2023 einen neuen Infektionscluster mit 17 Fällen. Diese Beispiele zeigen, dass das Virus die Welt noch eine ganze Weile beschäftigen dürfte.

Das Mpox-Virus gehört zur Gattung der Orthopoxviren, zu der auch die klassischen Menschenpocken zählen, die jahrhundertelang rund um den Globus wüteten und seit 1980 als ausgerottet gelten. Das tierische Reservoir des Erregers ist bislang unbekannt, wahrscheinlich stammt er aber von kleinen Säugetieren wie Sonnen- oder Streifenhörnchen oder Riesenhamsterratten. Affen sind – anders als die ursprüngliche Bezeichnung »Affenpocken« vermuten lässt – nicht der Hauptwirt des Virus. Der Erreger wurde lediglich zum ersten Mal bei Affen nachgewiesen.

Die beiden anderen Virengruppen, die die WHO derzeit eng überwacht, sind Vogelgrippe auslösende Influenzaviren sowie Viren-Krankheiten, die durch Aedes-Mücken übertragen werden, darunter Dengue-Fieber, Gelbfieber, Zika und Chikungunya. (dam/dpa)

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