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Quantenphysik: Ein Käfig voller Exzitonen

Quanten machen noch keinen Computer. Um einen brauchbaren Quantencomputer zu bauen, sind die seltsamen Effekte des Nanokosmos zunächst einmal auf eine reale Maschine aus anfassbarer Materie zu übertragen. Diesem Ziel sind Wissenschaftler nun ein gutes Stück näher gekommen.
Derzeit scheint es eines der Lieblingshobbys der Quantenphysiker zu sein, alles mit allem zu verschränken: Licht mit Licht, Photonen mit Ionen, Atome untereinander, Elektronen, etc. Das Ziel ist immer das gleiche: In ferner Zukunft einmal den auf Siliziumtechnik und binärer Eins-Null-Rechentechnik basierenden Computer durch einen viel leistungsstärkeren Quantencomputer zu ersetzen, um damit komplexe Rechenaufgaben in Windeseile lösen zu können.

Nun haben zwei Forschergruppen einen neuen Meilenstein auf diesem Weg hinter sich gelassen. Einem Team um Alfred Forchel von der Universität Würzburg und einer Arbeitsgruppe um Galina Khitrova von der amerikanischen Universität in Tucson, Arizona, ist es offenbar gelungen, Lichtteilchen mit einem ganzen Festkörper zu verkuppeln. Das ist ein sehr bedeutender Schritt hin zu einer künftigen Rechnergeneration. Schließlich muss diese ebenso irgendwie aus Materie bestehen, um die berechneten Ergebnisse auswerten, sie in einer Art Datenspeicher zwischenlagern oder anzeigen zu können.

Als Anknüpfungspunkte des Lichts an den Festkörper verwendeten die Arbeitsgruppen so genannte Quantenpunkte. In diesem Fall sind das winzig kleine Fehlstellen, die sie gezielt in Halbleitern eingebracht haben. So besteht der Quantenpunkt der Würzburger Arbeitsgruppe aus gut 100 000 Atomen des Halbleitermaterials Indium-Gallium-Arsenid, das sie in Gallium-Arsenid einbetteten. Durch Bestrahlen mit Licht geeigneter Wellenlänge erzeugten die Wissenschaftler dort ein Elektron-Loch-Paar: Ein eingeschossenes Photonen hob ein Elektron aus dem Valenzband des Indium-Gallium-Arsenids in dessen Leitungsband. Wegen der nun unterschiedlichen Ladungsverteilung zwischen dem Valenzband und dem Leitungsband übt das zurückbleibende Loch eine anziehende Kraft auf das Elektron im Leitungsband aus. Physiker sprechen hier von einem gebundenen Elektron-Loch-Paar, oder kurz Exziton. Dieses kann sich normalerweise frei durch den Halbleiter bewegen, was ja zu den bekannten elektronischen Eigenschaften dieser Materialien führt.

Anders dagegen die Exzitonen in diesen Experimenten. Die Wissenschaftler haben die Fehlstellen so klein dimensioniert, dass sie wie Käfige wirken, die alle Freiheitsgrade des Elektron-Loch-Paares unterdrücken. Die Enge führt gleichzeitig dazu, dass sich die Exzitonen quantenmechanisch ähnlich wie Atome verhalten: Sie können durch Einstrahlen von Licht in einen weiteren angeregten Zustand übergehen. Die Physiker sprechen in diesem Zusammenhang von einem Zwei-Niveau-System. "Das energiereiche Exziton zerfällt zwar wenige Sekunden nach seiner Bildung wieder und erzeugt erneut ein Photon. Der Quantenkäfig wirkt aber zugleich als Spiegelsaal, den das Lichtteilchen nicht sofort verlassen kann", erklärt Alfred Forchel von der Universität Würzburg. "Es bildet sich eine so genannte stehende Welle aus, die wiederum mit dem Quantenpunkt wechselwirkt und immer wieder ein neues Exziton erzeugt", so Forchel weiter. Ähnlich gingen die amerikanischen Kolleginnen und Kollegen vor.

Damit haben die Arbeitsgruppen die Grundlage für die Verschränkung von Lichtteilchen mit Quantenpunkten in einem Festkörper gelegt. Dass es sich hier um eine echte quantenmechanische Verbrüderung handelt, erkannten die Wissenschaftler daran, dass sich sowohl die Energie der Exzitonen in den Quantenpunkten als auch die der Photonen durch die Wechselwirkung veränderte. "Der Gesamtzustand ist somit keine einfache Superposition der Teilzustände mehr", betont Forchel.

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