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Technische Chemie: Ein Kelch für Gase

Blubbernde Luftblasen, die aus einem Kristall austreten, wenn er in Nitrobenzol getaucht wird - diese überraschende und mehr oder weniger zufällige Beobachtung könnte der Grundstein für eine neue Methode zur Aufreinigung von Wasserstoff sein.
Calixaren
Es war schon ein ungewöhnliches Material, mit dem Jerry Atwood, Agoston Jerga und Leonard Barbour experimentierten: ein großes kelchförmiges Molekül, das als Calixaren bezeichnet wird. Durch Sublimieren des Feststoffs erhielt das Team Kristalle, die aus Doppelschichten der Moleküle bestanden. Je zwei Kelche lagen, ganz leicht versetzt, mit ihrer geöffneten Seite einander zugewandt, sodass die Kelche die beiden Halbschalen eines großen Hohlraums bildeten. Diese Hohlräume waren abgeschlossen, keine Poren oder Kanäle führten nach außen.

Calixaren | Aus den Calixaren-Kristallen treten Gasblasen aus, sobald sie in flüssiges Nitrobenzol getaucht werden.
Vergleichen Sie hierzu auch die Videos unter "Medien", welche den Hohlraum innerhalb der Kristalle sowie das Austreten der Gasblasen zeigen.
Um so erstaunter waren die Chemiker – Atwood und Jerga arbeiten an der amerikanischen Universität von Missouri-Columbia, Barbour an der südafrikanischen Universität Stellenbosch – über Gasblasen, die aus den Kristallen austraten. Trotz aller anfänglichen Zweifel konnte das Team belegen, dass es sich bei den Gasblasen um Luft handelte, die in die Hohlräume eindrang, wenn die Calixarenkristalle an der Luft aufbewahrt wurde. Beim Eintunken der Kristalle in flüssiges Nitrobenzol verdrängten Nitrobenzolmoleküle die Gasmoleküle aus den Hohlräumen, da sie stärker absorbiert wurden. Auch die verschiedenen Luftbestandteile absorbierte das Calixaren verschieden stark, besonders gut und rasch wurde Kohlendioxid (CO2) aufgenommen.

Und dann folgte die nächste Überraschung, welche die Forscher regelrecht elektrisierte: Wasserstoff wurde gar nicht, nicht einmal unter erhöhtem Druck, absorbiert. In einer Atmosphäre aus Wasserstoff und CO2 nahmen die Kristalle selektiv CO2 auf, während der Wasserstoff in der Gasphase verblieb. Was ist daran so spannend?

Großtechnisch produzierter Wasserstoff ist herstellungsbedingt mit anderen Gasen, vor allem Kohlendioxid und Kohlenmonoxid verunreinigt. Deren Abtrennung ist eine aufwändige und entsprechend teure Angelegenheit – aber zwingend notwendig für Wasserstoff, der in Brennstoffzellen eingesetzt werden soll. Denn die Reinheit des zugeführten Wasserstoffs ist ganz entscheidend für einen reibungslosen Betrieb, ein langes Leben und damit die Wirtschaftlichkeit von Brennstoffzellen. Calixarenkristalle könnten das Potenzial zum leistungsfähigen Absorbens für die Abtrennung von Verunreinigungen aus Wasserstoff haben.

Ein Rätsel bleibt trotz aller Experimente weiter ungelöst: Wie kommt das Buddelschiff in die Flasche, sprich wie kommen die Gasmoleküle eigentlich in die abgeschlossenen Hohlräume?

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