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News: Ein Kraut gewachsen

1845 tauchte er wie aus dem Nichts auf und brachte Millionen Menschen den Hungertod. Und noch heute ist gegen den Pilz Phytophthora infestans kein Kraut gewachsen. Doch jetzt bringt ein Gen neue Hoffnung.
Phytophthora infestans
Wie kaum ein anderer Erreger einer Pflanzenkrankheit hat er Menschheitsgeschichte geschrieben: Als im 19. Jahrhundert Phytophthora infestans die europäischen Kartoffeläcker heimsuchte, verschonte er nicht Kraut noch Knolle. Durch die folgenden Hungersnöte starben Millionen von Menschen, und weitere Millionen verließen Europa mit der Hoffnung auf ein besseres Leben in der Neuen Welt. Besonders Irland traf es hart: Bis heute ist die Bevölkerung nicht wieder auf ihre ursprüngliche Größe angewachsen.

Und bis heute gibt es Probleme mit der durch Phytophthora hervorgerufenen Kartoffel-Krautfäule. Sie ist für die Knollenpflanzen nach wie vor fatal, und für eine sichere Ernte bezahlen die Bauern einen hohen Preis – in warmen Klimaten müssen sie ihre Kartoffeläcker bis zu zwei Dutzend Mal mit Pflanzenschutzmitteln einnebeln, bevor die Knollen erntereif sind.

Schon lange bemühen sich Wissenschaftler um die Züchtung resistenter Kartoffelsorten – doch gegen die Vielseitigkeit des in zahlreichen Varianten vorkommenden Erregers konnten sie bislang kein umfassendes Rezept finden.

Neue Hoffnung machen nun aber die Ergebnisse von Junqi Song und James Bradeen vom University of Wisconsin: Sie fanden ein Gen in einer wild in Mexiko vorkommenden Kartoffelart, Solanum bulbocastanum, das dieser Pflanze eine vollständige Resistenz gegen alle Phytophthora-Varianten verleiht.

Da Solanum tuberosum, unsere Kartoffel, und ihr mexikanisches Pendant nicht kreuzbar sind, versuchten es die Wissenschaftler mit gentechnischen Methoden: Sie isolierten das Gen und übertrugen es auf ausgewählte Kultur-Kartoffeln. So gelang es ihnen, eine Kartoffelsorte herzustellen, die tatsächlich immun gegen alle Phytophthora-Stämme zu sein scheint: "Bisher wurden die Pflanzen mit allem fertig, was wir auf sie losgelassen haben," meinte Mitautor John Helgeson.

Doch ob die multi-resistente Sorte in der Praxis zur Anwendung kommt, steht noch in den Sternen. Bisher stoßen die Wissenschaftler auf eine ablehnende Einstellung gegenüber gentechnisch veränderter Nahrungspflanzen in der Bevölkerung – Pflanzenzüchtern besonders zu schaffen macht die Politik europäischer Länder: Solange das Moratorium der Europäischen Union gegen gentechnisch veränderte Organismen weiter besteht, werden internationale Saatgut-Unternehmen mit der Einführung modifizierter Kartoffelsorten zögerlich sein.

Prinzipiell ließe sich das Resistenzgen auch durch konventionelle Züchtung übertragen. Dabei würde aber stets das gesamte Erbgut einer Kulturkartoffel mit dem ihrer wilden Verwandten vermischt. So würden neben der Resistenz auch andere, unerwünschte Eigenschaften der Wildkartoffel übertragen, die erst in einem langen Ausleseprozess wieder ausgekreuzt werden müssten, bevor die neue Sorte wieder für Anbau und Verzehr eingesetzt werden könnte.

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