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News: Ein molekularer Riese im Detail

Ribosomen sind so große Moleküle, dass man sie mit einem Elektronenmikroskop direkt sehen kann. Doch gerade die Größe dieses komplexen Knäuels aus mehreren Nukleinsäuren und vielen Proteinen machte es schwierig, seine genaue Struktur zu bestimmen. Dabei erfüllen Ribosomen als Proteinfabriken eine der wichtigsten Aufgaben in der Zelle. Der nun mit atomarer Genauigkeit bekannte Aufbau des größeren Teils ermöglicht nicht nur tiefe Einblicke in die Funktionsweise des Ribosoms, er lässt auch Schlüsse auf die Entstehung des Lebens zu.
Einiges muss zusammenkommen, um ein komplettes Ribosom aufzubauen. Jedes von ihnen besteht aus einer kleinen und einer großen Untereinheit, die jeweils aus einem beziehungsweise zwei RNA-Molekülen sowie vielen Proteinsträngen zusammengesetzt sind. In den Details unterscheiden sich die Ribosomen von Bakterien und höheren Zellen etwas, doch die wesentlichen Merkmale sind gleich. Dafür hat schon die Evolution gesorgt, denn Ribosomen sind absolut überlebenswichtig: Sie lesen die Informationen der Boten-RNA, einer Kopie der Gene im Zellkern, und setzen nach dieser Anleitung aus einzelnen Aminosäuren die Proteine zusammen. Wird dieser Ablauf durch Änderungen am Ribosom gestört, geht die Zelle zugrunde. Daher sind die essentiellen Bereiche des Komplexes bei allen Lebewesen gleich.

In mühevoller Kleinarbeit haben nun Thomas Steitz, Nenad Ban und Peter Moore von der Yale University die Struktur der großen Untereinheit des Ribosoms aus dem Bakterium Haloarcula marismortui in atomarer Auflösung analysiert (Science vom 11. August 2000). Im Vergleich zu den Bildern, die sie im vergangenen Jahr veröffentlicht haben, ist es nun möglich, die Wechselwirkungen der RNA- und Proteinanteile im Ribosom genauer zu erkennen.

Die Wissenschaftler stellten fest, dass die beiden RNA-Moleküle in der großen Untereinheit dicht beieinander sitzen. Es ist ihre Aufgabe, die Bindungen zwischen den Aminosäuren des neuen Proteins zu vermitteln. Die Ribosomen-eigenen Proteine unterstützen den Vorgang lediglich und wirken stabilisierend, vermutet Ban.

Damit spricht die Arbeitsweise des Ribosoms für die Hypothese einer einstigen RNA-Welt. Bei der Frage nach der Entstehung des Lebens konkurrieren zwei Vorstellungen miteinander: Nach dem einen Modell katalysierten Proteine die Reaktionen in den ersten Vorzellen und speicherten zudem irgendwie die Erbinformation. Neuere Erkenntnisse haben zu der Vermutung geführt, dass stattdessen RNA-Moleküle diese Funktionen inne hatten. Als Verwandte der DNA können sie sehr gut Informationen speichern, und sie verfügen sogar über katalytische Fähigkeiten. Wenn nun RNA im Ribosom die Synthese von Proteinen vermittelt, ist dies ein weiteres Indiz für ihre Vorreiterrolle.

Doch nicht nur für unser Wissen über die Vergangenheit liefert die Struktur des Ribosoms wichtige Argumente. Möglicherweise werden Forscher in der Zukunft damit gegen Bakterien zu Felde ziehen, die resistent gegen bestimmte Antibiotika geworden sind. Einige der Medikamente nutzen nämlich die kleinen Unterschiede zwischen Ribosomen von Bakterien und höheren Zellen, um gezielt die Krankheitserreger zu vernichten. Doch irgendwann hat ein Bakterium durch eine zufällige Mutation sein Ribosom ein wenig verändert, sodass das Antibiotikum nicht mehr wirken kann. Ban und seine Kollegen wollen herausfinden, was genau anders ist, und dann gezielt neue Arzneistoffe entwickeln.

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