Direkt zum Inhalt

News: Ein perfekter Festbraten

Im Trubel der kommenden Tage freut sich jeder auf den Moment, an dem die Familie endlich glücklich vereint um den Tisch sitzt und sich die Weihnachtsgans schmecken läßt. Oft ahnen die Gäste nichts von der verzweifelten Frage, die sich so manche Köchin und mancher Koch während ihres stundenlangen Werkelns in der Küche stellt: Wie mache ich einen perfekten Gänsebraten mit saftiger Brust und knusprigen Schenkeln? Zwar nicht für Gänse, aber für die in den USA zu Thanksgiving sehr beliebten Truthähne hat Harold McGee eine Lösung gefunden - Eis.
Viele der traditionell zum Erntedankfest in den USA servierten Truthähne enden mit ausgetrockneter Brust aufgeweicht in Bratensauce. Es ist ein klassisches Problem: Das zarte, weiße Brustfleisch ist schon fertig lange bevor der restliche Braten gar ist. Die Beinmuskeln zum Beispiel sind von Bindegewebe, Sehnen und Bändern durchzogen – Knorpel, auf denen keiner gern herumkaut. Um dieses dunkle Fleisch weich zu bekommen, muß man den Braten stundenlang brutzeln, damit sich das Kollagen in Gelatine umwandelt. Dann jedoch ist das Brustfleisch längst zu Staub zerfallen...

Aber warum trocknet dieses Fleisch eigentlich so schnell aus? Ganz einfach: Die Proteine der Muskelfasern beginnen bereits nach sehr kurzer Zeit im Ofen sich aufzufalten und zusammenzukleben. Sind sie erstmal denaturiert, können sie sich nicht mehr schützend um Wassermoleküle in den Zellen legen. Wenn das Gewebe eine Temperatur von etwa 60 Grad Celsius erreicht, schrumpft das die Muskelzellen umgebende Kollagen und preßt das Wasser heraus. Das aromatisch duftende Zischen aus dem Backofen bedeutet, daß sich die begehrten Stücke gerade in Pergament verwandeln.

Vor ein paar Jahren hörte Harold McGee, Wissenschafts- und Kochbuchautor, von einem portugiesischen Rezept, das einen saftigen Truthahn garantieren sollte. Der Clou daran war, Füllung zwischen die Haut und das Brustfleisch zu stopfen und so diesen empfindlichen Leckerbissen gegen die Hitze zu schützen. McGees wissenschaftliches und kulinarisches Interesse war geweckt, und so entschloß er sich, das ganze im Rahmen einer Versuchsreihe genau unter die Lupe zu nehmen. "Das Wunderbare an einem Truthahn ist, daß er bilateral symmetrisch ist", meint er. "So kann man Experiment und Kontrolle im selben Vogel durchführen."

Am nächsten Thanksgiving gab es bei McGees einen halb portugiesischen, halb traditionellen Truthahn. Um die Ergebnisse wissenschaftlich zu untermauern, befestigte McGee in den beiden Bruthälften Thermoelemente und siehe da: Die von Füllung geschützte Brust blieb im Ofen tatsächlich kühler. Doch der Schuß ging nach hinten los, denn der Isolationseffekt hielt auch noch an, als der Braten aus dem Ofen kam – und so kochte die heiße Füllung das zarte Fleisch weiter. "Dieser Rezept funktioniert, so lange Sie sofort die Isolation herausreißen", erklärt McGee. Und das ist kein schöner Anblick auf dem fein gedeckten Tisch.

Im Jahr darauf startete McGee einen neuen Versuch. Diesmal kühlte er die Brust des Vogels ab, bevor er ihn in den Ofen schob, um so den Schenkeln einen Vorsprung beim Garen zu geben. Und obwohl es kein Doppelblindversuch war, ist sich McGee sicher, daß sein Truthahn eindeutig saftiger war. "Es ist ein bißchen schwierig, die zum Abendessen geladenen Gäste dazu anzuhalten, auf Einzelheiten in der Textur zu achten," gibt McGee zu, "aber sie dachten, er wäre saftiger".

Für alle, die seinen Versuch wiederholen möchten, hat McGee ein paar Tips parat. Zu allererst: Füllen Sie Ihren Truthahn – oder Ihre Gans – nicht. Der Vogel heizt sich zu sehr auf, bevor die Füllung gar ist. Bevor Sie den Festbraten in den Ofen schieben, kühlen Sie die Brust mit Eiswürfeln auf etwa vier Grad Celsius ab, während der Rest des Vogels nicht mehr als 15 Grad Celsius haben sollte – denn sonst machen Sie ein mikrobiologisches Experiment, das Ihnen den Appetit auf Köstlichkeiten in den nächsten Tagen verderben könnte. Und wenn der Braten dann im Ofen ist, sollte das Brustfleisch auf etwa 70 Grad Celsius und das dunkle Fleisch auf etwa 80 Grad Celsius erhitzt werden. Gutes Gelingen!

Siehe auch

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.