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News: Ein Schalter für den Zell-Selbstmord

Für viele, die an Krebs leiden, sind Chemo- und Strahlentherapie oft die letzten Behandlungsmöglichkeiten. Doch diese beiden Methoden sind mit schweren Nebenwirkungen verbunden, die den Organismus des Patienten schwächen und manchmal sogar lebensbedrohlich sind. Jetzt haben amerikanische Wissenschaftler ein neues Medikament entwickelt, welches das Absterben gesunder Körperzellen bei Chemotherapie und Strahlenbehandlung verhindern soll.
Um das verletzliche gesunde Gewebe vor den gefährlichen Nebenwirkungen der Krebsbehandlungen zu bewahren, wollen die Wissenschaftler von der University if Illinois in Chicago (UIC) und von Quark Biotech, Inc. in Kalifornien einen der wichtigsten körpereigenen Schutzschilde gegen Krebs vorübergehend deaktivieren. Dabei zielen die Forscher in erster Linie auf das Molekül p53. Es gehört zu einer Gruppe von sehr intensiv erforschten Wirkstoffen, den sogenannten Tumor-Suppressoren. Diese werden von gesunden Zellen gebildet, die sich so selbst davor bewahren, bösartig zu werden. Denn ist eine Zelle geschädigt, dann bremst p53 deren Teilung und veranlaßt sie "Selbstmord" (Apoptose) zu begehen, damit der Rest des Organismus gesund bleibt. Bei rund sechzig Prozent des beim Menschen auftretenden Krebses fehlt ein funktionsfähiges p53 Molekül.

In den letzten zwanzig Jahren haben Wissenschaftler nach Mitteln und Wegen gesucht, die verlorengegangene p53-Funktion in Krebszellen wiederherzustellen in der Hoffnung, diese würden sich dann selbst zerstören. Das Forschungsteam vom UIC, unter der Leitung von Andrei Gudkov, dachte genau andersherum. Die Forscher glauben, daß ein Medikament, welches die Funktion von p53 unterdrückt, eventuell das Massensterben von Zellen im blutbildenden System und im Darmtrakt verhindern könnte. Denn anders als die meisten Tumorzellen, besitzen gesunde Zellen ein funktionsfähiges p53-Molekül, das den Zelltod auslöst, sobald sie durch Chemotherapie oder Bestrahlung geschädigt werden.

"Das Abschalten von p53 wurde bisher immer mit Skepsis betrachtet", sagt Gudkov. "Aber unser Ziel war es, die Arbeit des Moleküls nur zeitweise und reversibel zu unterdrücken, damit die gesunden Zellen sich als Antwort auf die eigentlich lebensrettende Therapie nicht selbst zerstören." Da die meisten Tumorzellen sowieso kein p55 besitzen, besteht auch nicht die Gefahr, daß durch die Inaktivierung des Moleküls neben den gesunden, auch die Krebszellen die Behandlung überleben könnten.

Um den Wirkstoff zu finden der p53 hemmt, züchteten die Wissenschaftler normales, gesundes Gewebe und versahen es mit einem Reporter-Gen, das die Zellen blau werden läßt, sobald in ihnen p53 aktiviert ist. Die Forscher testeten 10 000 künstlich hergestellte Wirkstoffe an den kultivierten Mäusezellen, um zu sehen, ob einige davon p53 hemmten. Vorher waren die Zellen mit Doxorubicin behandelt worden, einem Zytostatikum, welches innerhalb von Chemotherapien eingesetzt wird. Aus den wenigen wirksamen Substanzen wählten die Wissenschaftler eine, die auch in Abwesenheit von Doxorubicin selbst in hohen Konzentrationen Zell-Wachstum oder Überleben nicht beeinträchtigte. Diesen Wirkstoff, der wasserlöslich und stabil ist, nannten sie Pifithrin, in Anlehnung an das englische "p53 inhibitor"(Science vom 10. September 1999).

Die Forscher fanden heraus, daß eine Injektion von Pifithrin Mäuse bei einer Strahlendosis schützte, die normalerweise sechzig Prozent der Tiere getötet hätte; manche Mäuse überlebten dank Pifithrin sogar noch höhere Dosen. Darüber hinaus verloren Mäuse die mit dem Medikament behandelt wurden, weniger Gewicht durch die Bestrahlung, als die wenigen Tiere, die ohne Medikament die Strahlendosis überlebt hatten.

Diese Behandlungsstrategie beinhaltet natürlich ein theoretisches Risiko, denn immerhin schaltet sie das wichtigste Schutzschild der Zelle gegen krebsauslösende Strahlenschäden aus. Doch die Wissenschaftler zeigten, daß die Wirkung von Pifithrin zeitlich begrenzt und reversibel ist. Außerdem ließen sich bei keinem der dreißig Versuchstiere, welche die Strahlen- und Medikamentenbehandlung überlebt hatten, in den darauffolgenden sieben Monaten Tumore oder andere Läsionen feststellen.

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