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News: Ein schlechter Schütze

In kleinen Dosen wird Aspirin zum Beispiel eingesetzt, um Kopfschmerzen zu lindern oder Herzanfälle abzuwehren. Große Mengen gewährleisten eine langanhaltende Schmerzlinderung für Menschen, die an chronischen Entzündungskrankheiten leiden wie rheumatoide Arthritis. Eine neu veröffentlichte Forschungsarbeit zeigt, warum die Dosen so hoch sein müssen.
Kleine Mengen Aspirin (Acetylsalicylsäure) blockieren die Wirkung von bestimmten Enzymen, den Cyclo-Oxygenasen. Diese Enzyme steuern die Produktion von Prostaglandinen, welche die Schmerz- und Fiebersymptome im Zusammenhang mit Infektion oder Verletzung auslösen. Keine Cyclo-Oxygenasen, kein Schmerz – deshalb fühlt man sich besser, wenn man ein bis zwei Aspirintabletten nimmt.

Wissenschaftler haben jedoch schon lange vermutet, daß Aspirin mehr tut, als nur die Cyclo-Oxygenasen zu blockieren. Die Tatsache, daß es den Schmerz in arthritischen Gelenken lindert – dafür allerdings mehr als nur ein paar Tabletten benötigt werden –, deutet darauf hin, daß Aspirin auch einige andere biochemische Stoffwechselwege blockieren könnte: jedoch weniger wirksam als die Blockade der Cyclo-Oxygenasen. Diese relative "Schwäche" erklärt, warum man so viel Aspirin schlucken muß, um den gewünschten Effekt zu erzielen.

Richard B. Gaynor und seine Kollegen vom University of Texas Southwestern Medical Center in Dallas haben nun einen zweiten Wirkungsort des Aspirin entdeckt: eine Substanz namens NF-kappa-B. Sie gehört zu den Initiatoren eines Entzündungsvorganges.

Entzündungen entstehen durch eine komplexe Folge von Reaktionen, von denen die meisten schon seit dem letzten Jahrzehnt bekannt sind. Einige der ersten Schrittte erfolgen im Zellkern, wo Regulatorproteine spezifische Gene aktivieren, die dann wiederum andere Gene "anschalten", die am Entzündungsprozeß beteiligt sind.

NF-kappa-B ist ein Bestandteil dieser Reaktionskaskade. Es liegt solange inaktiv in der Zelle vor, bis er in den Kern gelangt. Dort aktiviert es dann Gene, die den Entzündungsvorgang weiter vorantreiben. Das NF-kappa-B wird aber durch ein anderes Protein am Eindringen in den Zellkern gehindert, durch das IkB. Kommt es zu einer Zerstörung des IkB, dann kann NF-kappa-B in den Zellkern gelangen und dort die entsprechenden Reaktionen auslösen. Nach den Berichten von Gaynor und seinen Kollegen hemmt Aspirin eines der Proteine, die am Abbau des Ikb beteiligt sind, und verhindert damit die Freisetzung von NF-kappa-B (Nature, Ausgabe vom 5. November 1998). Das Ergebnis ist, daß die Gene, die für die Auslösung von Schmerz und Unbehagen verantwortlich sind, ruhig bleiben.

Die Wissenschaftler berichten, daß eine relativ hohe Dosis Aspirin erforderlich ist, um den Stoffwechselweg zu blockieren, über den NF-kappa-B freigesetzt wird. Sie glauben auch, daß dies nicht das einzige Ziel des Aspirins sein könnte. Mehrere Berichte deuten darauf hin, daß große Mengen Aspirin eine ganze Anzahl von biochemischer Wegen stören, die an der An- und Abschaltung von bestimmten Genen beteiligt sind. Dies deutet darauf hin, daß Aspirin ein Hansdampf in allen Gassen ist, keine Aufgabe jedoch richtig beherrscht: Zwar hat die Acetylsalicylsäure eine Vielzahl von Zielen, aber die trifft sie meist nur schlecht (abgesehen von der Cyclo-Oxygenase).

Damit ergibt sich eine wichtige therapeutische Konsequenz. Um den chronischen Schmerz von Entzündungen zu lindern, müssen Ärzte Dosen verschreiben, die hoch genug sind, damit sie funktionieren – aber diese Mengen sind dann fast so hoch, daß sie unerwünschte Nebenwirkungen hervorrufen, wie Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und sogar Ohrensausen. Erforderlich ist daher die Entwicklung einer Form von Aspirin, die hochwirksam dabei ist, ein bestimmtes Ziel sehr effektiv angreift, während es die anderen möglichen Ziele außer acht läßt. Dies würde dann zu geringeren Dosen führen und zu einem verminderten Risiko, unangenehme Nebenwirkungen auszulösen.

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