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News: Ein Schlückchen für's Herz

Die gesundheitlichen Auswirkungen regelmäßigen Alkoholkonsums auf das Herz werden in der wissenschaftlichen Literatur weiterhin diskutiert - viele Menschen glauben jetzt, daß ein moderater Ethanolkonsum das Auftreten von Herzattacken reduzieren könnte. Mittlerweile wurden auch Vorstellungen laut, daß Alkohol die Genesung nach einem Herzanfall verbessern könnte, indem es die Schäden für die an Sauerstoffmangel leidenden Herzmuskelzellen verringert.
Aufgrund der Genesungsdauer nach Herzattacken ist schwer zu sagen, wie der Alkoholkonsum der Betroffenen diese beeinflußt haben könnte. Masame Miyamae von der University of California in San Francisco und seine Kollegen untersuchten die Fragestellung deshalb im Tierversuch. In den Proceedings of the National Academy of Sciences (Ausgabe vom 7. Juli 1998) berichten sie, daß ein regelmäßiger Alkoholkonsum die gesundheitliche Wiederherstellung bei Meerschweinchen nach einer simulierten Herzattacke beschleunigt. Die Verbesserung läßt sich durch einen gesünderen Blutdruck, besseren Muskeltonus und eine deutlich geringere Anzahl von Muskelzellen, die nach dem Anfall absterben, nachweisen.

Nachdem die Wissenschaftler den Effekt des Alkohols nachgewiesen hatten, sollte der Mechanismus geklärt werden, der hinter dieser positiven Wirkung steht. Einen Hinweis gaben Studien, die zeigten, daß das Herz in einem gewissen Ausmaß trainiert werden kann, einige Zeit mit Sauerstoffmangel fertigzuwerden (sogenannte ischaemische Zeiträume). Durch Vorbehandlung des Herzens mit sehr kurzen Perioden verringerter Blutzufuhr und dann folgenden Rückströmungen (Reperfusion) kann das Gewebe auf eine Weise verändert werden, die seine Genesung nach einer längeren ischaemischen Episode fördert.

Dieser Effekt wurde mit der Aktivität eines Enzyms im Herzmuskel in Verbindung gebracht, der sogenannten Protein-Kinase C (PKC). PKC erfüllt anscheinend eine wichtige Funktion bei Herzattacken: Es trägt wahrscheinlich dazu bei, die Säurewerte und das Calciumungleichgewicht, die während einer Attacke auftreten, wieder zu regulieren. Ohne PKC erholt sich die kontraktile Aktivität des Herzes nach einer Herzattacke nicht. Miyamae und Kollegen entdeckten, daß Alkohol tatsächlich das PKC in den Herzmuskelzellen beeinflußt. Während eines Anfalls scheint PKC in die Zellmembran zu wandern. Auch Alkohol scheint eine solche Ansammlung dieses Proteins in der Zellmembran zu veranlassen. So würde sich das PKC an dem Ort befinden, wo es die Muskelzellen am besten vor einer ischaemischen Periode schützen kann.

Obwohl es eine recht originelle Neuerung wäre, ist es eher unwahrscheinlich, daß Menschen, die zu Herzattacken neigen, von ihrem Arzt ein alkoholisches Getränk verschrieben bekommen in der Hoffnung, daß sie damit ihr Herz für spätere Anfälle trainieren. Stattdessen könnte eine Entdeckung, wo die Schutzwirkung von Alkohol tatsächlich ansetzt nach Ansicht der Autoren "zu neuen Therapien führen, die gegen Ischaemie-Reperfusions-Verletzungen schützen" – aber ohne irgendwelchen berauschende Nebenwirkungen.

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