Lebenserwartung: Ein simpler Sprachtest sagt voraus, wie viele Jahre noch bleiben

Wie viele Tiere kann ein älterer Mensch innerhalb von 90 Sekunden aufzählen? Das Testergebnis – die so genannte Wortflüssigkeit – ist ein besseres Maß für die restliche Lebenserwartung als etwa die Fitness des Kurzzeitgedächtnisses oder eine Kombination aus mehreren kognitiven Tests. Das hat ein Team um Ulman Lindenberger vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin berechnet. Wie der Psychologe und seine Kollegen in der Fachzeitschrift »Psychological Science« berichten, steigt die statistische Restlebenszeit mit jedem genannten Tier im Mittel um mehr als fünf Prozent.
Die Gruppe wertete Daten aus der Berliner Altersstudie aus, darunter mehr als 500 Versuchspersonen, die mindestens 70 Jahre alt waren. Bei der Auswertung der Daten waren sämtliche Probandinnen und Probanden verstorben; ihr Todeszeitpunkt war also bekannt. Zuvor hatten sie im Lauf der Jahre wiederholt an verschiedenen kognitiven Tests teilgenommen, unter anderem zum Kurzzeitgedächtnis, zur Wahrnehmungsgeschwindigkeit und zur genannten Wortflüssigkeit. Zu Letzterer zählte neben der Aufgabe, so viele Tiere wie möglich zu nennen, noch eine weitere: so viele Wörter wie möglich mit dem Anfangsbuchstaben »S« aufzuzählen.
Ergebnis: Wer in anderthalb Minuten auf rund 33 Tiere kam, hatte im Mittel noch zwölf Jahre vor sich – bei elf Tieren dagegen nur drei Jahre. Das Gleiche galt für 22 versus 7 Wörter mit dem Anfangsbuchstaben »S«; der Unterschied war hier jedoch etwas kleiner. Die Wortflüssigkeit sagte damit mehr über die weitere Lebenserwartung aus als die übrigen erfassten kognitiven Fähigkeiten, ob einzeln oder kombiniert. Als lebensverkürzend erwiesen sich außerdem eine Demenzdiagnose und – wenig überraschend – ein höheres Alter. Bildungsgrad und Nettoeinkommen spielten darüber hinaus, also bei gleichem Alter und gleichem Demenzstatus, keine Rolle.
Die Forschenden erklären ihre Befunde damit, dass das schnelle und gezielte Abrufen bestimmter Wörter verschiedene breite und spezielle Fähigkeiten erfordere. Dafür müssten präfrontale Hirnregionen, limbische Strukturen und das Kleinhirn intakt sein und effizient zusammenarbeiten.
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