Direkt zum Inhalt

News: Ein Titan an kreidezeitlichen Gestaden

Selten sind neue Funde alter Knochen so spektakulär wie jene, die jetzt in der ägyptischen Wüste geborgen wurden. In einer Oase stießen Forscher nicht nur auf den womöglich zweitgrößten Dinosaurier überhaupt, er schließt auch eine bedeutsame paläogeografische Lücke. Und außerdem zeugt Paralititan in der heute unwirtlichen Gegend von tropischen Sümpfen der oberen Kreidezeit.
Paralititan stromeri heißt der jüngst gefundene fossile Gigant, der eine ganz neue Gattung darstellt und dem deutschen Forscher Ernst Stromer von Reichenbach ein Denkmal setzt. Der Paläontologe war zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Baharîya, knapp 300 Kilometer südwestlich von Kairo, auf eine überaus ergiebige Fossillagerstätte gestoßen und hatte unzählige wertvolle Knochen aus der Oberen Kreide nach München gebracht, wo sie gegen Ende des Zweiten Weltkriegs während eines Bombenangriffs zerstört wurden. Stromer von Reichenbachs Lebenswerk war dahin, und die Zeugnisse aus Baharîya gerieten bald in Vergessenheit.

Doch mit dem Fund des Paralititan, was soviel bedeutet wie "Gigant der Küsten", könnte sich dies rasch ändern, denn der womöglich zweitgrößte Saurier überhaupt offenbart einiges über seine damalige Umwelt. Er ist fast vollständig erhalten und in gutem Zustand. Nur einmal wurde seine letzte Ruhe gestört, als sein Kadaver von Fleischfressern wie Carcharodontosaurus gefleddert wurde. Sie zerrissen sein Becken und und zerbissen es in tausend Stücke. Einige der Räuber gehörten wohl zu den Arten, die schon Stromer von Reichenbach einst nach Deutschland brachte.

Joshua Smith von der University of Pennsylvania und seine Kollegen waren Anfang 2001 nach Ägypten gereist und sogleich fündig geworden. Mit langem Hals und langem Schwanz erreichte der Pflanzenfresser Paralititan stromeri eine Länge von bis zu 30 Metern und wog um die 80 Tonnen. Allein sein Oberarmknochen ist 1,7 Meter lang.

Wäre Nordafrika vor 100 Millionen Jahren das gewesen, was es heute ist, es hätte hier sicher keine Dinosaurier gegeben. Aber wo heute inmitten der Wüste die Oase Baharîya liegt, schwappte einst ein flaches Meer an den Strand. Die feinen Sedimente, in denen sich die Überreste fanden, zeugen von seichtem Wellengang, und unzählige darin enthaltene Pflanzenreste und Wurzelkanäle lassen vermuten, dass Baharîya einst den Magrovenwäldern Floridas ähnelte. Die Forscher vermuten gar, dass in jener Zeit kaum irgendwo auf der Erde so viel Biomasse produziert wurde wie hier. Kein Wunder also, dass sich hier auch die Größten der Großen wohl fühlten.

Schon bald wollen die Geologen nach Ägypten zurückkehren, in den "Dinosaurier-Himmel von Baharîya". Dort hoffen sie dann auf weitere Puzzlesteine, die ihnen helfen, die Umwelt des Paralititan stromeri zu rekonstruieren. Vielleicht löst sich dann auch das Rätsel, warum große kreidezeitliche Wirbeltiere zwar in Madagaskar und Südamerika gut belegt sind, nicht aber in Afrika. Hatten Madagaskar und Südamerika tatsächlich, wie einige Forscher vermuten, irgendwo und völlig unabhängig von Afrika, aneinander gehangen? Joshua Smiths und seiner Kollegen Fundstücke zeigen, dass auch in Afrika noch mancher Saurier zu entdecken ist.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen
Science 292(5522) (2001)

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.