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News: Ein tödliches Paar

Eigentlich sind die meisten Varianten von Escherichia coli so harmlos, dass ein gesunder Mensch große Mengen der Bakterien bedenkenlos verspeisen könnte. Trotzdem gibt es immer wieder Stämme dieser Mikroorganismen, die auch für den Menschen gefährlich werden: Sie geben Toxine ab, die zum Absterben von Zellen führen und so schließlich einen Ausfall ganzer Organe verursachen. Wissenschaftler fanden jetzt heraus, dass die Toxine an bestimmte Proteine in den Zellen koppeln und damit einen programmierten 'Selbstmord' der Zellen einleiten.
Escherichia coli ist für die Mikrobiologen sozusagen die "Drosophila" unter den Bakterien. Über kaum einen anderen Mikroorganismus wissen die Forscher besser Bescheid. Eines allerdings blieb für sie bisher ein Rätsel: Durch welche molekularen Vorgänge tötet E. coli befallene Zellen? Diese Frage ist für die Wissenschaftler interessant, da immer wieder pathogene Stämme des für den Menschen normalerweise harmlosen Bakteriums auftauchen. In Entwicklungsländern sind sie eine der Hauptursachen für Durchfallerkrankungen, an denen jedes Jahr etwa eine Million Kinder sterben. Der pathogene Stamm O157:H7 verseucht vor allem Lebensmittel und breitet sich derzeit auf der ganzen Welt rasch aus. Bei einer Infektion verursacht er Duchfall und vielfaches Organversagen, als Folge von massivem Zelltod in den Nieren und Verdauungsorganen. In den USA sterben jährlich etwa 200 Menschen, weil sie sich mit dem pathogenen E. coli-Stamm infizierten.

Molekularbiologen haben bisher herausgefunden, dass die gefährlichen Bakterien so genannte Verotoxin-Moleküle abgeben, die sich über den Blutkreislauf der Betroffenen im Körper verteilen. Die Zellen der Verdauungsorgane, Nieren und auch die Blutzellen selbst nehmen dieses Toxin auf und gehen anschließend an dem Gift zugrunde. Was sich aber genau in den infizierten Zellen abspielt, blieb den Wissenschaftlern bisher verborgen.

Doch Atsushi Suzuki und Hirofumi Doi vom Basic Technology Research Laboratory der Daiichi Pharmaceutical Co., Ltd in Tokio und ihre Mitarbeiter bringen jetzt mehr Licht in die Dunkelheit der molekularen Vorgänge, die zum Tod der lebenswichtigen Zellen führen. Die Forscher entdeckten auf den Verotoxinen einen kurzen Abschnitt von Aminosäuren, der sehr ähnlich zu einer Abfolge von Aminosäuren auf dem zelleigenen so genannten Bcl2-Protein ist (Genes & Development vom 15. Juli 2000). Dieses Eiweiß ist maßgeblich am Prozess des "programmierten Zelltodes" beteiligt, in dem überzählige oder beschädigte Zellen "Selbstmord" begehen, um den gesamten Organismus zu schützen. Die Wissenschaftler beobachteten, dass die kurze Aminosäuresequenz auf dem Bcl2-Molekül als Bindungsstelle fungiert und auch ein bestimmtes Verotoxin mit seiner ähnlichen Struktur an diese Stelle bindet. Der Komplex aus dem Toxin und dem Eiweiß löst dann auch in gesunden Zellen den Startschuss für den programmierten Zelltod aus. Sind viele Zellen betroffen, so führt die massenhafte Selbstzerstörung von Zellen zum Gewebeabbau und schließlich zum Versagen des Organs.

Behandelten die Wissenschaftler allerdings die Zellen zuvor mit chemisch synthetisierten Aminosäure-Abschnitten des Verotoxin-Moleküls, so blockierten diese alle verfügbaren Bindungsstellen am Bcl2-Molekül. Bei der anschließenden Infektion der Zelle mit dem Verotoxin aus E. coli blieb der programmierte Selbstmord der Zellen aus. Offenbar verhinderte die künstliche Aminosäure-Sequenz, dass sich der Komplex aus Verotoxin und dem Bcl2-Molekül bildet und so die Selbstzerstörung der Zelle auslöst.

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