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News: Ein Virus mit neuer Füllung

Erste Schritte, die Muskeldystrophie mittels Gentherapie zu behandeln, waren erfolgreich. Mit Hilfe eines veränderten Virus wurde ein Gen in die Muskeln von Mäusen transportiert, welches ein Protein bildet, das bei Erkrankten fehlt.
Wissenschaftler der University of Michigan haben einen viralen Vektor entwickelt, mit dem an Muskeldystrophie leidende Mäuse behandelt wurden. Der Vektor übertrug in die Muskeln ausgewachsener Mäuse das Gen für die Produktion von Dystrophin, einem Protein, das für die normale Erhaltung des Muskelgewebes wichtig ist.

Das Geheimnis: ein gewöhnliches Virus, dessen natürliches genetisches Material vollständig entfernt wurde, um Platz für das Dystrophin-Gen zu schaffen. Das Ergebnis: An Dystrophie leidende Mäuse mit Muskeln, die mehrere Monate lang hohe Konzentrationen des normalen Dystrophin-Proteins produzierten.

„Wir haben in den Muskeln von ausgewachsenen Mäusen, die an Duchenne-Muskeldystrophie leiden, eine über mindestens drei Monate andauernde Expression des vollständigen Dystrophin-Proteins hervorgerufen," sagte Jeffrey S. Chamberlain, Professor für Humangenetik an der University of Michigan Medical School. "Wir haben nachgewiesen, daß Mäuse das Gen aus unserem viralen Vektor in ihr Muskelgewebe aufnehmen können. Es ist ein ermutigendes Ergebnis, aber es ist keine Heilung."

Auf dem in dieser Woche stattfindenden Human Genetics Meeting stellte Chamberlain neue Ergebnisse aus laufenden Forschungsarbeiten an der University of Michigan vor, die darauf abzielen, eine wirksame Gentherapie für Muskeldystrophie zu entwickeln.

Duchenne-Muskeldystrophie ist eine genetische Krankheit, die bei einem von 3.500 Männern auftritt. Sie wird durch Mutationen in einem sehr großen komplexen Gen verursacht. Es ist das größte bisher identifizierte Gen, was die Bemühungen der Forscher, eine wirksame Gentherapie gegen diese Krankheit zu entwickeln, sehr erschwert. Wie stark die Symptome auftreten, hängt davon ab, wie sehr die Dystrophin-Expression geschwächt wird. Ohne Dystrophin verlieren Kinder, die an dieser Krankheit leiden, allmählich Muskelgewebe und sterben schließlich zwischen dem zwanzigsten und dem dreißigsten Lebensjahr an Herz- oder Lungenversagen sterben.

Seit sieben Jahren versuchen Chamberlain und seine Kollegen die technischen Probleme, die einer wirksamen Gentherapie-Behandlung der Muskeldystrophie im Wege stehen, zu überwinden. Neuere Arbeiten haben sich darauf konzentriert, modifizierte Adenoviren zu entwickeln – dies ist derselbe Virentypus, der Erkältungen auslöst. Da Adenoviren die natürliche Fähigkeit besitzen, in Muskelzellen einzudringen, stellen sie exzellente Vektoren für das Dystrophin-Gen dar.

„Leider ist Dystrophin zu groß, um in ein herkömmliches Adenovirus zu passen," sagte Chamberlain. „Außerdem muß verhindert werden, daß das natürliche Immunsystem des Körpers in Aktion tritt, denn es dürfen keine Muskelzellen abgetötet werden, die das Dystrophin-Virus aufnehmen."

Chamberlain nennt seine Lösung ein „entleertes Virus." Das Entfernen von Genen, die normalerweise im Virus gefunden werden, schafft Platz für die vollständige Version von Dystrophin. Darüberhinaus kann es, nach Ansicht von Chamberlain, möglicherweise auch die Aktivierung des körpereigenen Immunsystems verhindern.

Bisher hat Chamberlain das Virus nur in einem Stamm dystrophischer Mäuse mit Immundefekt getestet. Ohne sich um die Immunreaktion zu kümmern, konnte er dadurch die Stabilität der Vektoren austesten.

„Die Ergebnisse deuten darauf hin, daß diese neuen entleerten Viren in erwachsenen Tieren sehr stabil sind. So können dystrophische Tiere über längere Zeiträume auf wirksame Weise mit Dystrophin versorgt werden," sagte Chamberlain. „Nachdem uns nun geglückt ist, eine langfristige Expression von Dystrophin in Mäusen ohne ein funktionierendes Immunsystem zu produzieren, ist der nächste Schritt, das Virus in Mäusen mit normaler Immunreaktion zu testen.

„Wenn unserer Adenovirus-Vektor fähig ist, eine ebenso starke Dystrophin-Expression in immunologisch normalen Mäusen zu produzieren, sind wir vielleicht in der Lage, begrenzte klinische Tests an Menschen durchzuführen."

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