Direkt zum Inhalt

News: Ein Wiedersehen mit den verlorenen Töchtern des Uranus

Die Monde des Uranus erhalten traditionellerweise Namen aus den Dramen von Shakespeare und Pope. Und so tauften Astronomen zwei neue Trabanten, welche die Raumsonde Voyager 2 im Jahr 1986 entdeckt hatte, auf Cordelia, nach der jüngsten Tochter des Königs in King Lear, und Ophelia, zu Ehren der Geliebten von Hamlet. Wie es sich für eine tragische Geschichte gehört, verloren die Wissenschaftler die beiden Monde schon bald aus den Augen. Mit dem wenigen Datenmaterial, das Voyager 2 ihnen geschickt hatte, konnten sie nicht einmal mehr die ungefähren Positionen der Himmelskörper berechnen - Cordelia und Ophelia waren verschwunden! Erst Jahre später machten sich drei tapfere Astronomen auf die Suche nach den beiden Damen. Mit modernsten Methoden zur Bildauswertung und dem Weltraumteleskop Hubble fanden sie jetzt endlich die Monde wieder und stellten fest, dass diese sich in der Zwischenzeit keineswegs gelangweilt hatten, sondern als moderne Heldinnen einer verantwortungsvollen Aufgabe nachkommen: Die beiden Trabanten halten den äußersten Ring des Uranus in Form.
Kein Planet unseres Sonnensystems hat mehr Monde als der Uranus: Ganze 20 Trabanten haben Wissenschaftler bis jetzt gezählt – allein fünf davon wurden erst in den letzten drei Jahren entdeckt. Besonders ergiebig war auch der Besuch der Raumsonde Voyager 2 im Januar 1986. Unter anderem funkte sie über einen Zeitraum von zwei Wochen auch Bilder der zuvor unbekannten Satelliten Cordelia und Ophelia zur Erde. Damals hießen die beiden allerdings noch wenig poetisch 1986 U7 und 1986 U8.

Das Datenmaterial reichte allerdings nicht aus, um die Umlaufbahnen der Monde hinreichend genau zu bestimmen und für die Zukunft zu berechnen. Für Beobachtungen mit erdgebundenen Teleskopen waren die Trabanten mit ihren nur etwa 40 Kilometern Durchmesser zu klein, so dass sie aus dem Blickfeld verschwanden, als Voyager 2 seine Reise in Richtung Neptun fortsetzte. Als schließlich das Hubble Space Telescope mit seiner leistungsstarken Optik in seine Erdumlaufbahn schwenkte, wusste schon längst niemand mehr, wo nach Cordelia und Ophelia zu suchen wäre.

Schließlich begann Erich Karkoschka von der University of Arizona, sich für die Uranusbegleiter zu interessieren. Er überlagerte in seinem Computer Fotos, die Hubble im Jahre 1997 geschossen hatte, beachtete jeden einzelnen Bildpunkt und berücksichtigte die möglichen Umlaufbahnen, wie sie aus den Voyager 2-Daten hervorgingen. Als Lohn für seine Mühe tauchte Ophelia aus den Tiefen auf. Cordelia blieb hingegen verschollen.

Inzwischen beschritten Richard French vom Wellesley College und Phil Nicholson von der Cornell University einen ganz anderen Weg: Sie suchten nach Schwankungen in der Form der Uranusringe. Erst 1977 hatten Astronomen überhaupt bemerkt, dass der Uranus über ein Ringsystem verfügt. Damals hatte es einen Hintergrundstern im Vorrüberziehen verdeckt. Mittlerweile ist bekannt, dass es sich um elf Einzelringe handelt, deren äußerster am hellsten ist und vermutlich aus meterdicken Eisbrocken besteht. Genau wie seine Nachbarn reflektiert er jedoch auch weniger als ein Prozent des Sonnenlichtes. Deshalb vermessen Forscher auch heute noch das Flackern von Sternen, die hinter dem Uranus verschwinden, wenn sie Informationen über sein Ringsystem gewinnen möchten.

French und Nicholson werteten dieses Material aus, das sich seit 1977 angesammelt hatte. Statt direkt nach den Monden zu suchen, hofften sie, periodische Verformungen der Ringe zu finden, welche auf die Gravitation der beiden Trabanten zurückgingen. Am Rande des epsilon-Ringes wurden sie fündig. Ihre Berechnung der mutmaßlichen Position von Ophelia stimmte sehr gut mit dem Ort überein, den Karkoschka anhand der Hubble-Bilder ermittelt hatte. Als dieser die Fotos noch einmal nach den Vorschlägen von French musterte, fand er tatsächlich auch die vermisste Cordelia.

Die beiden Monde bewegen sich auf fast identischen Umlaufbahnen knapp innerhalb beziehungsweise außerhalb des epsilon-Ringes. Cordelia läuft innen vorweg und beschleunigt die Teilchen, welche sich näher am Uranus befinden, so dass sie durch die Fliehkraft nach außen getrieben werden. Die nachfolgende Ophelia bremst die äußeren Partikel aber wieder, wodurch die Gravitation des Planeten sie wieder nach innen zwingt. Im Ergebnis sorgen die Monde für einen schmalen Ring mit scharfen Grenzen. Oder wie die Amerikaner sagen: "Die beiden Monde wirken als Schäferhunde." Doch wer mag zwei lang verschollene Damen schon guten Gewissens mit Schäferhunden vergleichen?

Siehe auch

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.