Direkt zum Inhalt

News: Eindimensionaler Elektronenfluss

Möchten Physiker die Elektronen eines Stücks Metall beschreiben, so bedienen sie sich in der Regel eines vereinfachenden Bildes, bei dem sie die Ladungsträger als Individuen auffassen. Das funktioniert jedoch nicht mehr, wenn sich die Elektronen nur noch in einer Richtung bewegen dürfen: Hier verlieren sie ihre Eigenständigkeit und müssen als Kollektiv beschrieben werden. Forscher konnten nun einen Blick in diese Welt werfen, indem sie quantenmechanische Tunnelvorgänge zwischen zwei nanometergroßen Drähten beobachteten.
Während die Elektronen eines einzelnen Atoms verhältnismäßig stark an den Kern gebunden sind, vermögen die Atomkerne in einem Metall oder Halbleiter ihre äußersten Elektronen, die Valenzelektronen, kaum noch halten. Stattdessen bewegen sich diese quasi frei durch das Material. Ihre Zahl ist unvorstellbar groß: Bei Metallen sind es mehr als 1022 pro Kubikzentimeter. Um das Verhalten derart vieler Teilchen zu beschreiben, braucht es also einiger Tricks und Kniffe und nicht zuletzt eines möglichst einfachen Modells.

Dabei machen sich Physiker zu nutzen, dass sich Elektronen trotz ihrer negativen Ladungen und der daraus resultierenden Abstoßung nahezu wie Individuen verhalten. So behandelt man sie im Allgemeinen als Fermi-Flüssigkeit – ein System von unabhängigen Teilchen, mit Ladung, Spin und einer bestimmten Masse. Das funktioniert auch ganz gut, solange voluminöse Leiterstücke betrachtet werden. Selbst bei dünnen Schichten stimmt das Bild noch, nicht jedoch bei nanometerdünnen Leiterbahnen. Denn in dieser Größenordnung, die in etwa der Wellenlänge eines Elektrons entspricht, können sich die Ladungsträger nur noch in einer Dimension bewegen – vor und zurück.

Hier bedarf es einer etwas anderen Beschreibung. Ein passendes Modell liefert die Luttinger-Flüssigkeit, welche die Elektronen nun nicht mehr als Individuen auffasst, sondern vielmehr im Kollektiv beschreibt. Die Coulomb-Abstoßung spielt hier eine deutlich größere Rolle. Ophir Auslaender vom Weizmann Institute of Science in Rehovot und seinen Kollegen von den Bell Labs in Murray Hill gelang es nun, dies auch im Experiment zu beobachten.

Dazu stellten die Forscher aus halbleitendem Galliumarsenid zwei "Quantendrähte" her, die jeweils nur einige Dutzend Nanometer im Durchmesser maßen, einige Mikrometer lang waren und die eine sechs Nanometer dünne, isolierende Aluminium-Gallium-Arsenid-Schicht voneinander trennte. Wenngleich es nach klassischer Physik für Elektronen nicht möglich ist, diesen Bereich zu überwinden, so erlaubt doch die Quantenmechanik, dass die Elektronen die Barriere tunnelnd passieren.

Doch wie sich im Experiment zeigte, brauchten sie dazu genau die passende Energie und den richtigen Impuls. Beides ließ sich steuern, indem zum einen die Spannung über den beiden Drähten variiert und zum anderen ein Magnetfeld senkrecht zu der Anordnung angelegt wurde. Die Messungen der Leitfähigkeit durch die isolierende Barriere in Abhängigkeit von Spannung und Magnetfeld erlaubten es so Auslaenders Team zum ersten Mal, ein Anregungsspektrum der Elektronen in einem solchen eindimensionalen System aufzunehmen.

Dabei stellen die Wissenschaftler fest, dass die "Anregungsgeschwindigkeit" der Elektronen etwa 30 Prozent größer war als in Schichten oder Galliumarsenid am Stück. Laut Auslaender ist dies ein Zeichen für die ausgeprägte Wechselwirkung, der die Elektronen unterliegen. Er und seine Mitstreiter hoffen nun, dass sich mit ihrer Technik auch ein besonderes Phänomen beobachten lässt, das Wissenschaftler schon seit 1968 für derartige eindimensionale Elektronensysteme voraussagen: die Spin-Ladungs-Trennung. Demzufolge lässt sich ein System in elektronische Zustände anregen, die einen Spin, jedoch keine Ladung aufweisen oder umgekehrt eine Ladung, aber keinen Spin. Die Forscher gehen zwar davon aus, dass sie in dieses Vorhaben noch einige Arbeit investieren müssen, sind aber davon überzeugt, mit der Aufnahme des Anregungsspektrums eindimensionaler Elektronen-Systeme den ersten Schritt getan zu haben.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.