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News: Eine alte Frage und ein neuer Ansatz

Manche Fragen sind sehr alt und dennoch nicht wirklich beantwortet. Eine davon lautet: Wie heiß ist der Kern der Erde? Die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen blieben immer umstritten. Englische Wissenschaftler verfolgten nun einen neuen Weg. Sie setzten 'Supercomputer' für eine Simulationsrechnung ein - und hoffen darauf, daß der Meinung der Maschinen weniger widersprochen wird. Jedenfalls ermittelten sie eine Temperatur um die 5500 Grad Celsius.
David Price vom Department of Geological Sciences des University College London versucht zu erklären, warum es so wichtig ist, die Temperatur des Erdkerns zu kennen: "Da unten ist eine enorme Wärmeenergie gespeichert. Die Hitze, welche vom Kern ausgeht, verursacht Erdbeben, Vulkane und die Drift von Kontinenten. Außerdem die stürmischen Verwirbelungen des flüssigen Eisens im Kern, verantwortlich für das magnetische Feld der Erde. Aber wenn man die Kerntemperatur nicht kennt, dann kann man nicht verstehen, wie all dies funktioniert."

Es ist das grundsätzliche Problem, die Schmelztemperatur von Eisen bei den erstaunlichen Druckverhältnissen des Kerns herauszufinden. Die Wissenschaftler argumentieren, daß der hauptsächlich aus Eisen bestehende Kern in der Nähe des Erdzentrums von einem festen in einen flüssigen Zustand übergeht. Die entscheidende Rolle der Schmelztemperatur wurde schon vor langer Zeit erkannt und verschiedene Forscher unternahmen Versuche, im Labor die im Kern herrschenden Drücke und Temperaturen zu simulieren. Doch die Resultate blieben umstritten.

Nun wurde ein Anlauf aus einer gänzlich anderen Richtung unternommen: Die Wissenschaftler des University College London setzten auf die geballte Kraft von Parallelcomputern. Sie gehen davon aus, daß jedes Material als eine Ansammlung von Atomkernen und Elektronen angesehen werden kann, und berechnen die Schmelztemperatur ausschließlich auf der Grundlage von thermodynamischen Geetzen. Die dazu notwendige Rechenleistung konnte nur durch den Einsatz eines "Supercomputers", des Cray T3E, aufgebracht werden.

Diesen Berechnungen nach beträgt die Schmelztemperatur des Eisens bei den im Kern herrschenden Druckverhältnissen 6 500 Grad Celsius – etwa die Temperatur auf der sichtbaren Oberfläche der Sonne. Die Forscher weisen aber darauf hin, daß der Erdkern eine etwas niedrigere Temperatur haben wird, da er nicht aus reinem Eisen besteht. Sie gehen von ungefähr 5 500 Grad Celsius aus. Die Mitglieder des englischen Teams erfreuen sich jetzt an einer ungewöhnlichen Vorstellung: Im Endeffekt gehen wir auf einer Masse von geschmolzenem Eisen spazieren, welche etwa so heiß wie unsere Sonne ist.

  • Spektrum Ticker vom 27.7.1998
    "Wenn die Erde dahinschmilzt"
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