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News: Eine alte Theorie erhält Aufschwung

Der Mensch ist vielleicht das einzige Lebewesen, das in der Lage ist, über sich selber nachzudenken. Wer bin ich, wohin gehe ich und wo komme ich her? Alles Fragen, die sich nicht eindeutig beantworten lassen. So ist zum Beispiel der Blick in die Vergangenheit oft sehr schwierig. Denn Beweise gibt es nicht, Funde sind oft nur spärlich und ganze Skelette sind eine Sensation. So basteln Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten an einer Theorie zur Entstehungsgeschichte des Menschen. Eine Forschergruppe aus Amerika hat dazu erstmals paläontologische, archäologische und genetische Hinweise ausgewertet und dabei eine der ältesten Theorien zur Menschwerdung bestätigt. Demnach wären wir Menschen einmal fast ausgestorben. Nur eine kleine Gruppe in Afrika überlebte und wurde zur Stammsippe der gesamten Menschheit.
Vor zwei Millionen Jahren, irgendwo in Afrika: Eine Gruppe von Individuen trennt sich von ihren Artgenossen und geht in der Evolution ihren eigenen Weg. Warum es zu dieser Spaltung der Australopithecinen gekommen ist und so ein Engpaß – oder "Flaschenhals" – im Stammbaum des Menschen entstand, weiß heute noch niemand. Der Umstand leitete jedenfalls relativ schnell eine Reihe von Veränderungen ein, die zum Beispiel die Körpergröße, die Proportionen des Skeletts und die Größe des Gehirns betreffen.

Dieses Szenario ist das Ergebnis einer Studie, die John Hawks von der University of Utah, Milford Wolpoff von der University of Michigan und ihre Kollegen durchgeführt haben. Um die wahrscheinlichsten Umstände zu rekonstruieren, die für die Entstehung des Menschen verantwortlich sind, werteten sie in ihrer Untersuchung paläontologische, archäologische und genetische Hinweise aus. Sie berücksichtigten die Fehler, die bei den unterschiedlichen Methoden auftreten können, und konnten so deren Gemeinsamkeiten herausarbeiten. Auf diese Weise widerlegten sie einige neue Theorien und bestätigten eine der ältesten modernen Versionen über den Ursprung des Menschen (Molecular Biology and Evolution vom Januar 2000).

"Alle Hinweise deuten [...] darauf hin, daß sich der Mensch vor zwei Millionen Jahren in Afrika entwickelte und dann auch andere Bereiche der Welt besiedelt hat", sagt Hawks. "Diese Original-Population lebte, bevor der Mensch Regionen außerhalb Afrikas besiedelte. Der Akt der Menschwerdung selber hat diese Besiedlung erst ermöglicht." Die Forscher schließen aus den anatomischen Untersuchungen eine "genetische Revolution" in dieser kleinen Gruppe unserer Vorfahren. "Der erste Homo sapiens ist so verschieden von den Australopithecinen, nicht nur in der Größe, sondern auch in anderen anatomischen Details", meint Wolpoff. "Somit können wir auf jeden Fall sagen, daß die Veränderungen nicht allmählich, sondern plötzlich abliefen."

Einen weiteren Hinweis auf eine schnelle genetische Reorganisation und den Beginn der menschlichen Evolution aufgrund des Flaschenhalses sehen die Forscher in den archäologischen Ergebnissen. Danach gab es damals eine Serie von Verhaltensänderungen, wie zum Beispiel ein anpassungsfähigeres Muster beim Jagen, Sammeln und beim Suchen von Nahrung. "Schlüsselelement bei diesen Entwicklungen ist die Körpergröße", bemerken die Forscher. "Die Fortbewegung, die durch einen großen Körper gekennzeichnet ist, hat sich verändert. Das erfordert auch eine Zunahme der Stoffwechselquellen." Dieses Verhalten hat sich wesentlich deutlicher und schneller entwickelt, als alle Verhaltensweisen, die bisher von Hominiden bekannt sind, betonen sie.

Nach Aussagen der Forscher widersprechen auch die genetischen Daten diesem einfachen Model nicht, nach dem es einen exponentiellen Anstieg der Population, mit anschließendem Engpaß vor zwei Millionen Jahren gegeben hat. Mit einem starken Rückgang der Population vor relativ kurzer Zeit sind diese Daten allerdings nicht vereinbar.

"Viele Details über die darauffolgende Evolution des Menschen während der Eiszeit bleiben zwar immer noch unklar, doch sowohl anthropologische als auch genetische Daten zeigen, daß es später keinen so starken Rückgang der Population mehr gegeben hat", sagt Hawks. "Damit ist die Eva-Theorie als Beginn der menschlichen Art, nach welcher der moderne Mensch erst vor kurzem als eine neue afrikanische Spezies aufkam und alle eingeborenen Populationen verdrängt hat, widerlegt."

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