Direkt zum Inhalt

News: Eine alternative Therapie gegen Epilepsie unter der Lupe

Ein kleiner Apparat, der im Abstand von wenigen Minuten den Vagus-Nerv reizt, soll bei manchen Epilepsie-Patienten die Anzahl und die Schwere der Anfälle verringern. Diese erst seit wenigen Jahren angewendete Methode kommt vor allem für Patienten in Frage, die weder mit Medikamenten behandelt noch operiert werden können. In einer Studie wurden nun Erfahrungen und Erfolgsaussichten der Therapie zusammengefaßt. Demnach ist sie zwar kein neues Allheilmittel, aber in mehr als einem Viertel der Fälle konnte doch eine Besserung erreicht werden.
1988 wurde das Gerät zum ersten Mal einem Epilepsie-Patienten implantiert, seitdem ist der Apparat mit der Größe einer Taschenuhr bei weit über 4000 Patienten eingesetzt worden. Mit elektrischen Impulsen reizt er im Genick den linken Vagus-Nerv, den 10. Hirnnerv, der die Aktivität zwischen Gehirn und den wichtigsten inneren Organen steuert.

Der Stimulator wird in die Brust oder unterhalb des Schlüsselbeins eines Patienten implantiert und durch kleine Drähte mit dem Vagus-Nerv verbunden. Die Menschen werden dadurch in ihrer Lebensweise nicht behindert. Rund um die Uhr sendet der Apparat im Abstand von fünf Minuten dreißig Sekunden lange elektrische Impulse an den Nerv. Das Zeitintervall kann entsprechend der Bedürfnisse der einzelnen Patienten eingestellt werden. Als Nebenwirkungen nennen die Patienten Heiserkeit oder Halsbeschwerden während der Reizung.

Der Nervenstimulator soll besonders Patienten helfen, die Medikamente gegen die Krankheit entweder nicht vertragen oder bei denen diese Medikamente wirkungslos bleiben. Außerdem sollte nach Ansicht von Medizinern zuerst die Möglichkeit einer operativen Entfernung des erkrankten Gewebes im Gehirn geprüft werden, bevor der Einsatz des Vagus-Stimulators in Betracht gezogen wird.

Die Verwendung des implantierten Apparates ist sicher und wirksam. So zumindest lautet das Ergebnis einer Studie, die von der American Academy of Neurology (AAN) durchgeführt wurde (Neurology vom 11. September 1999). Die Untersuchung basiert auf der längerfristigen Beobachtung von insgesamt 310 Epilepsie-Patienten, die mindestens sechs Anfälle pro Monat hatten und deren Anfälle sich durch Medikamente nicht lindern ließen. Die Anzahl der Anfälle war nach der Implantation im Durchschnitt um 25 bis 30 Prozent zurückgegangen. Diese Verbesserung ist vergleichbar mit der von Patienten, die neue Epilepsiemedikamente einnehmen – so die Aussage des Neurologen Adrian Handforth von der Veterans Administration of the Greater Los Angeles Health Care System, einem der Mitautoren der Untersuchung. Die Ergebnisse beziehen sich auf Patienten, die an partieller Epilepsie leiden, bei der nur in einer Großhirnhälfte Störungen auftreten.

"Die gute Nachricht ist, daß dies eine völlig neue Art der Therapie ist, bei der die Nebenwirkungen von Epilepsiemedikamenten vermieden werden", sagte Handforth. "Die meisten Patienten wurden zwar nicht anfallfrei, aber bei mehr als der Hälfte der Patienten verbesserte sich nach eigener Aussage ihre Lebensqualität, weil entweder die Zahl der Anfälle oder die Intensität der Anfälle zurückgegangen ist."

Im Laufe der Untersuchung überprüfte die American Academy of Neurology die wissenschaftlichen Befunde, die bisher aus allen klinischen Versuchen mit dem Implantat zur Verfügung stehen. Im Jahre 1997 berichtete die AAN, daß der Einsatz dieses Apparates zwar vielversprechend, sein Nutzen jedoch noch nicht eindeutig nachgewiesen sei. Die Ärzte an der Bonner Universitätsklinik für Epileptologie, an der ebenfalls Epilepsie-Patienten mit dem Vagus-Nerv-Stimulator behandelt werden, nennen ähnliche Ergebnisse. Sie stellen fest, daß zwar in der Hälfte der Fälle keine Verbesserung eintritt. Bei den anderen fünfzig Prozent verringert sich jedoch die Anzahl und die Schwere der Anfälle, allerdings sind nur wenige Ausnahmefälle nach der Implantation wirklich frei von Anfällen.

Siehe auch

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.