Direkt zum Inhalt

News: Eine Fata Morgana in der Quantenwelt

Verheißungsvoll lockt am Horizont das Bild einer Oase, die dem Verdurstenden in der Wüste als letzte Rettung erscheint. Doch die Hoffnung trügt - eine Fata Morgana hat ihn genarrt. Solche verblüffenden Täuschungsmanöver gibt es jedoch offensichtlich nicht nur in unserer makroskopischen Welt. Wissenschaftler haben festgestellt, dass auch auf der Quantenebene Effekte auftreten, die von einem Phantom-Atom erzeugt werden. Und sie sehen darin eine Möglichkeit, in Zukunft womöglich Daten in winzigen Stromkreisen übertragen zu können, in denen es für normale Drähte einfach zu eng ist.
Je mehr sich Computer-Bauteile der atomaren Dimension annähern, desto stärker zeigt sich auch die Doppelnatur der Elektronen: Während sie sich in der "normalen" Welt eigentlich wie Teilchen verhalten, wirken sie – je kleiner der Maßstab wird – zunehmend als Wellen. Ein Effekt, wie ihn die Quantenmechanik auch beschreibt. Für die Datenübertragung ist das recht bedeutend, denn zum Beispiel leiten Drähte in dieser winzigen Größenordnung den Strom nicht so gut wie es eigentlich den klassischen Theorien zufolge zu erwarten wäre. Also müssen für die Bauteile auf Quantenebene neue Mittel und Wege gefunden werden, um die üblichen Aufgaben mit der gewünschten Leistungsfähigkeit zu erreichen.

Hari C. Manoharan, Christopher P. Lutz und Donald M. Eigler von der IBM Research Division in San Jose, Kalifornien, haben womöglich eine Lösung für diese Probleme gefunden: Sie haben in der Quantenwelt eine "Fata Morgana" entdeckt (Nature vom 3. Februar 2000). In ihrem Experiment formten die Wissenschaftler mit einem Rastertunnelmikroskop aus mehreren Dutzend Kobaltatomen einen elliptischen Ring auf einer Kupferoberfläche. Derartig angeordnet wirken die Atome wie eine Einzäunung, welche die oberflächennahen Elektronen der Kupferatome innerhalb des Rings reflektiert. Dabei entsteht ganz im Sinne der Quantenmechanik ein Wellenmuster.

Die Größe und die Form der Ellipse definiert ihre "Quantenzustände", das heißt die Energie und räumliche Verteilung der eingefangenen Elektronen. In ihrem Versuch benutzten die Wissenschaftler einen Quantenzustand, bei dem in den beiden Brennpunkten der Ellipse große Elektronendichten erzeugt wurden. Als die Forscher in einen der Brennpunkte ein magnetisches Kobaltatom platzierten, zeigte sich eine "Fata Morgana": Die Oberflächen-Elektronen zeigten dieselben elektrischen Zustände, so als ob auch im zweiten Brennpunkt ein Kobaltatom sitzen würde. Die Intensität der Erscheinung betrug allerdings nur ein Drittel.

Diesen Phantom-Effekt kennt man auch aus der Welt des Lichts oder des Schalls. So gibt es zum Beispiel in der Old House of Representatives Chamber im Weißen Haus in Washington zwei sogenannte "Flüsterpunkte". Wird an einem dieser Punkte ein schwaches Geräusch erzeugt, ist es auch an dem anderen Punkt deutlich zu hören.

Mit der neuen Technik wollen die Forscher noch eine ganze Reihe von Experimenten durchführen, mit denen sie zum Beispiel dem Ursprung des Magnetismus auf atomarer Ebene auf die Spur kommen möchten. Letzten Endes hoffen sie, damit einzelne Elektronen oder Kern-Spins beeinflussen zu können. Da der Effekt Information von einem Punkt zu einem anderen überträgt, lässt er sich in der Zukunft vielleicht einmal auch in der Datenweitergabe bei Quantencomputern einsetzen. Bis dahin müssen sie die Technik aber nach Ansicht von Manoharan noch entscheidend verbessern. Dann könnte aus der Fata Morgana der Quantenwelt tatsächlich etwas Handfestes werden.

Siehe auch

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.