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Eine Portion Forschung: Dampfdrucktopf, altes Gerät mit neuem Potenzial

Ist oldschool, aber ein verdammt tolles Küchengerät: der Dampfdrucktopf. Wieso? Weil man damit Gemüse, Fleisch und Fisch schnell und schonend zubereiten kann. Kulinarische Experimente sind dabei ausdrücklich erlaubt!
Der Dampfdrucktopf erlaubt schnelles und schonendes Kochen.

Mit Fleischwölfen, Rührstäben, Entsaftern, Toastern, Mixern und Mikrowellen hielt im 20. Jahrhundert die Technik sowohl in professionellen als auch in heimischen Küchen Einzug. Gemeinsamer Nenner der Gerätschaften: Sie erlauben es, effizient zu kochen und Köstlichkeiten schneller zuzubereiten. Als besonders zielführend hat sich dabei der Dampfdrucktopf erwiesen.

Indem das Gargut durch die Ansammlung von Dampf einem höheren Druck als dem atmosphärischen ausgesetzt wird, steigen die Temperaturen im Inneren des Topfes stark an, auf etwa 115 bis 120 Grad Celsius. Das schafft besondere Garbedingungen, und der Prozess wird beschleunigt.

Mit ermöglicht hat das Kochwunder der Physiker Denis Papin. Bereits im Jahr 1681 hatte er entscheidende Experimente durchgeführt. In seinem Buch »A new digester or engine for softning bones« beschrieb Papin einen Apparat zur Verwertung von weggeworfenen Lebensmitteln. Er wollte mit seiner Idee die Lebensmittelverschwendung verhindern, um das Hungerproblem auf der Welt zu lösen. Obwohl er etwas optimistisch war, könnte man seinen Ansatz eines geschlossenen Topfes als den Ursprung des Dampfdrucktopfes definieren.

Die Idee geriet mehr oder weniger in Vergessenheit, bis José Alix Martínez im Jahr 1919 den ersten Dampfdrucktopf für den Hausgebrauch patentierte, den er »Expresstopf« nannte, also »Schnellkochtopf«. Der Erfinder begann auch, ihn zu vermarkten, wofür er eine Rezeptesammlung anlegte, die den Gebrauch erleichterte. Das Patent übertrug er später an Camilo Bellvís Calatayud, der das Gerät wiederum als »Bellvís-Topf« oder CBC, nach seinen Initialen, bekannt machte. Es wurde 1924 auf der Weltausstellung in Brüssel präsentiert und erhielt dort die Ehrenmedaille. Doch der große Durchbruch kam erst, als Alfred Vischer kleine Variationen schuf und seinen »Flex-Seal-Speed Cooker« nach der Patentierung auf der Weltausstellung 1939 in New York präsentierte.

Schnell gekocht im Schnellkochtopf
Kurze Garzeit, reich an Nährstoffen: Der Dampfdrucktopf erlaubt eine rasche, schonende Zubereitung. Wer ihn erfunden hat und was ihn auszeichnet, zeigt das Video.

Im Dampfdrucktopf gehen nur wenig Nährstoffe verloren

Ab den 1980er Jahren verlor er jedoch aus mehreren Gründen an Ansehen: Es gab Haushaltsunfälle, die Mikrowellen, den Thermomix. Besonders glamourös sind die Töpfe auch nicht. Dann kam noch der Trend des Niedrig- und Vakuumgarens auf, während sich die Überzeugung festigte, im Schnellkochtopf würden Nährstoffe verloren gehen.

Was nicht stimmt, wie mehrere Studien gezeigt haben. Eine im »Journal of Food Science« veröffentlichte Untersuchung ergab, dass unter Druck gegarter Brokkoli 90 Prozent seines Vitamin C bewahrt, im Gegensatz zum Dämpfen (78 Prozent) und Kochen (66 Prozent). Die Forschenden betonten, dass die kürzere Garzeit – bezüglich der Konservierung von Nährstoffen – wichtiger sei als die Temperatur.

Mittlerweile hat sich die Gastronomie wieder auf die Vorzüge des Dampfdrucktopfes besonnen. Ein Beispiel ist der Koch Ricard Camarena, der 2015 das Buch »Caldos: El código del sabor« veröffentlichte, in dem sich viele seiner Gerichte auf den Dampfdrucktopf stützen. Camarena hat sich für ein elektrisches Modell entschieden, das ihm eine größere Kontrolle über den Prozess gibt. Nach 15 Jahren Forschung ist er zu dem Schluss gekommen, dass der Topf es ihm ermöglicht, Aromen ohne Wasserzugabe zu konzentrieren.

Serie: »Eine Portion Forschung«

Was steckt in unseren Lebensmitteln? Wie ernähren wir uns in der Zukunft? Und welche Entwicklungen machen das möglich? Eine neue Videoserie von »Spektrum der Wissenschaft« und »Scientific American« serviert Ihnen fortan regelmäßig eine Portion Forschung.

See the English-language version at »Scientific American«.

Muschelsuppe aus dem Schnellkochtopf

Für eine Muschelbrühe beispielsweise verwendet er neben den Mollusken getrockneten violetten Knoblauch, Lorbeer, Weißwein, schwarzen Pfeffer, Petersilie und Zitrone. Er gibt alles in den Schnellkochtopf und erhitzt ihn, bis Dampf austritt. Er lässt die Mischung eine Stunde ruhen, seiht sie ab und gibt sie erneut durch ein Stoffsieb, damit die Brühe vollständig geklärt ist. Camarena hat eine der Grundlagen des Kochens revolutioniert, indem er die Kochzeiten reduzierte, Prozesse wie das Klären mittels Ei aufgab und damit andere Brühen erhielt, ganz gegen den Trend des Niedrigtemperaturgarens, der in der zeitgenössischen Haute Cuisine vorherrscht.

Von Schnellkochtöpfen überzeugt ist auch Nathan Myhrvold. In seinem Buch »Modernist Cuisine« argumentiert er, dass in dieser unter Druck stehenden Umgebung Reis schneller gart, Brühen an Geschmack gewinnen und die Zucker der Lebensmittel leichter karamellisieren. Angesichts dieser Argumente könnten die Geräte wieder an Bedeutung gewinnen.

Dennoch bleibt die Konkurrenz um den Platz in der Küche. Die Lösung liegt wahrscheinlich in neuen Modellen, die kleiner und besser an aktuelle Bedürfnisse von Köchinnen und Köchen angepasst sind. Und darin, den guten Ruf wiederherzustellen. Gerichte im Dampfdrucktopf zu zaubern, benötigt weniger Energie als andere Zubereitungsmethoden, die Aromen sind intensiver und die Kochzeit ist deutlich kürzer. Was also spricht noch dagegen, jenes Gerät wieder hevorzuholen, das schon in den Küchen der Großeltern der letzte Schrei war?

Dieser Text ist zuerst bei »Investigacion y Ciencia« unter dem Titel »La olla a presión« erschienen. Der Artikel wurde zur besseren Lesbarkeit angepasst.

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