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Eine Portion Forschung: Plankton, Shootingstar der Sterneküche

Nicht nur Wale mögen Plankton, auch Spitzenköche verwenden es gern als ausgefallene Zutat. Im Küchenalltag sind die Kleinstlebewesen aus dem Meer allerdings kostspielig.
Plankton ist ein Shootingstar in der Sterneküche.

Plankton ist aus der Gastronomie kaum noch wegzudenken. Zumindest als Zutat für ausgefallene Speisen. In manchen Spitzenrestaurants warten auf Probierfreudige längst kreative Angebote wie weiße Mousse au Chocolat mit Erbsen und Plankton oder Plankton-Brioche. Als Grundnahrungsmittel im Alltag hat sich Plankton bisher nicht durchgesetzt – es könnte aber noch passieren.

Zu Plankton zählen Kleinstlebewesen, die sich in den Strömungen des Gewässers mehr oder weniger passiv treiben lassen. Getauft hat die winzigen Organismen der seinerzeit an der Universität Kiel tätige Meeresbiologe Victor Hensen im Jahr 1887; abgeleitet vom Griechischen bedeutet Plankton so etwas wie »das Umhergetriebene«. Hensen hat die Meereslebewesen auch als Erster genauer untersucht: auf einer Forschungsreise, die ihn im Jahr 1889 von Kiel aus jenseits des Atlantiks bis zum Amazonas führte.

Mittlerweile wissen Forschende weit mehr über die treibenden Kleinstlebewesen. Eine einheitliche Definition gibt es nicht. Biologinnen und Biologen unterscheiden unter anderem zwischen den weniger als 0,2 Mikrometer großen Viren des »Femtoplanktons« und dem »Megaplankton«, zu dem Einzeller gehören wie auch bis zu zwei Meter große Algen. Im Plankton finden sich Tiere, auch Zooplankton genannt, Pflanzen wie Mikroalgen, Bakterien, Pilze und Viren, auch bekannt als Phyto-, Bakterio-, Myko- und Virioplankton.

Winzige Meeresbewohner erobern die Küche
Weiße Mousse au Chocolat mit Plankton und Erbsen oder Plankton-Brioche mag sich in Spitzenrestaurants finden. Als Grundnahrungsmittel im Alltag hat sich die Zutat aus dem Meer allerdings bisher nicht durchgesetzt. Das soll sich ändern.

Winzige Algen erobern das Internet

Mikroalgen sind laut einem Bericht der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2015 potenziell nachhaltige und sichere Nahrungsmittel, deren Erforschung und Produktion es künftig voranzutreiben gilt.

Zu den Grundnahrungsmitteln gehört Plankton sicherlich noch nicht. Seit dem Hype um Superfoods verkaufen sich diverse Spezies jedoch als Nahrungsergänzungsmittel – ohne bedeutsamen Nachweis für die allgemeine Wirksamkeit. Vorn mit dabei ist beispielsweise Krill, die Leibspeise von Blauwalen. Er zählt zum Zooplankton und setzt sich aus rund 80 unterschiedlichen Krustentierarten zusammen. Weil Krill äußerst nahrhaft ist, dachten Ernährungsexperten schon in den 1970er Jahren darüber nach, mit den kleinen Krebstieren gegen den Welthunger anzugehen. Der Durchbruch lässt auf sich warten, aber Krill wird eben mittlerweile in Form von Omega-3-Fettsäure-haltigen Ölkapseln als Nahrungsergänzung vermarktet.

Auch die Mikroalgen Chlorella und Spirulina verkaufen sich unter dem Label. Sie werden als Wundermittel gegen allerlei Beschwerden gehalten, weil sie Vitamin D und B12, ungesättigte Fettsäuren und hochwertige Proteine enthalten. Doch Vorsicht: Laut Verbraucherzentrale ist zum Beispiel das in Spirulina enthaltene Vitamin B12 für Menschen zum großen Teil gar nicht nutzbar; und als Eiweißquelle hilft das in geringen Tagesdosen geschluckte Präparat ohnehin nicht weiter. Ob und wie gut Spirulina-Präparate bei Krankheiten oder einer Diät helfen können, ist noch nicht gut genug erforscht. Für Chlorella liegen bessere Forschungsberichte vor: Sie legen nahe, dass sich die einzellige Alge positiv bei Diabetes, Bluthochdruck und erhöhten Blutfettwerten auswirken könnte. Die Datenlage ist aber auch hier noch dürftig, wie die Forscherinnen und Forscher betonen.

Serie: »Eine Portion Forschung«

Was steckt in unseren Lebensmitteln? Wie ernähren wir uns in der Zukunft? Und welche Entwicklungen machen das möglich? Eine neue Videoserie von »Spektrum der Wissenschaft« und »Scientific American« serviert Ihnen fortan regelmäßig eine Portion Forschung.

See the English-language version at »Scientific American«.

Mediterrane Planktonproduktion

Das Biotech-Unternehmen Fitoplancton Marino setzt auf eine andere Art von Phytoplankton. Es arbeitet seit 2008 an einer Methode, die Mikroalge Tetraselmis chuii für Menschen genießbar zu machen. Im Jahr 2014 haben die europäischen Behörden das Produkt als neuartiges Lebensmittel eingestuft und die Erlaubnis erteilt, das Meeresplankton zu vermarkten.

Tetraselmis wuchs zunächst im andalusischen Naturpark Doñana in Kultur heran und gab sich dabei anspruchsvoll: Sie braucht eine kontinuierliche Wasserbewegung und muss regelmäßig mit Kohlenstoffdioxid versorgt werden. Nach einer Wachstumszeit von etwa vier Monaten wird das Mikroalgenplankton zentrifugiert. So gewinnt man eine gallertartige Paste, die anschließend gefriergetrocknet wird, um Geruch und Geschmack zu konservieren und das Produkt lange haltbar zu machen. Man kann das getrocknete Pulver direkt zum Kochen verwenden – oder es durch Zugabe von Flüssigkeit wieder in Planktonpaste zurückverwandeln.

An der Entwicklung war der als »Koch des Meeres« bekannte Ángel León maßgeblich beteiligt. León führt das mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnete Restaurant Aponiente im Südwesten Spaniens, das auf experimentelle Gerichte mit Meeresfrüchten spezialisiert ist – und seit Neuestem auf die eigene Mikroalgenzuchtprodukte. Gäste können die zubereiteten Kleinstlebewesen als Planktonöl und zu Seehechtbäckchen in baskischer Plankton-Pil-Pil-Sauce probieren – oder einfach pur, als kleine Kostprobe auf die Hand.

Es könnte dauern, bis das spanische Meeresplankton den Weg in die Küche bei uns zu Hause findet. Denn vor allem der aufwändige Produktionsprozess treibt den Preis in die Höhe: Ein Gramm des getrockneten Planktons kostet drei Euro, ein Gericht allein braucht aber schon bis zu einem halben Gramm. Die Mikroalgen-Innovation aus Spanien bleibt vorerst eher ein Luxusgut für die gehobene Profiküche.

Dieser Text ist zuerst bei »Investigación y Ciencia« erschienen. Der Artikel wurde zur besseren Lesbarkeit angepasst.

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