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News: Eine treue Gefährtin

Sie gilt als bockig und meckert ständig herum - dennoch erweist sie sich als treue Gefährtin. Seit über 10 000 Jahren dient die Ziege dem Menschen und gehört damit zu den ältesten Haustieren überhaupt. Genetische Untersuchungen offenbarten jetzt eine erstaunliche Ähnlichkeit der heute weltweit lebenden Ziegen: Als leicht zu tauschende Handelsware vermischte sich ihr Erbgut immer wieder neu.
Vor etwa 10 000 Jahren fand eine der größten Veränderungen der menschlichen Gesellschaft statt. Nach und nach gaben die Menschen ihr unstetes Wanderleben auf und ließen sich als Ackerbauer und Viehzüchter häuslich nieder. Eine Voraussetzung für diesen als Neolithische Revolution bekannten Umwälzungsprozess waren erste Erfahrungen der umherstreifenden Jäger und Sammler mit domestizierten Tieren, die ihnen leicht bei ihren Wanderzügen folgen konnten. Dazu gehört die Ziege. Als äußerst genügsames Wesen hat sie nur geringe Ansprüche an ihre tägliche Kost und fühlt sich auch in rauher Umgebung noch wohl. Da sie klein und leicht ist, eignet sie sich auch hervorragend als mobiles Handelsgut. Heute bevölkern etwa 700 Millionen Hausziegen die Erde und versorgen den Menschen mit Milch und Fleisch.

Gordon Luikart von der Université Joseph Fourier in Grenoble wollte den Ursprung des genügsamen Haustieres näher ergründen. Zusammen mit seinen Kollegen schaute er sich die mitochondriale DNA (mtDNA) von mehr als 400 Ziegen aus Europa, Afrika und Asien an. Das Erbgut dieser als "Kraftwerke der Zellen" bekannten Organellen eignet sich für Stammbaumanalysen sehr gut, da es nur mütterlicherseits weitergegeben wird. Mit dieser "molekularen Uhr" können die Wissenschaftler daher die Spur der "Urmutter" aller Ziegen verfolgen.

Das mitochondriale Erbgut der Ziegen zeigte dabei eine erstaunlich geringe Variabilität. Die mtDNA variiert bei Kühen oder anderen Haustieren wesentlich stärker, wobei 50 bis 80 Prozent dieser Variationen auf eine unterschiedliche geografische Herkunft der Tiere zurückzuführen ist. Bei den Ziegen beruhen nur zehn Prozent der genetischen Schwankungen auf geografische Unterschiede. Hierin spiegelt sich nach Überzeugung der Genetiker die ständige Durchmischung des Erbgutes der leicht zu transportierenden "Handelsware" wider.

Die heutigen Ziegen sind damit alle eng miteinander verwandt, dennoch konnten die Genetiker mindestens drei verschiedene "Urziegen" ausmachen. Demnach stammt die überwiegende Mehrheit – etwa 90 Prozent – von einer Ziege ab, die vor ungefähr 10 000 Jahren im mittleren Osten auf dem Gebiet der heutigen Türkei und des Iraks domestiziert wurde. In dieser als "fruchtbarer Halbmond" bekannten Region liegt der Ursprung der Neolithischen Revolution. Und von hier breitete sich die Ziege über ganz Europa und Afrika aus.

Eine zweite Gruppe – etwa sechs Prozent der Tiere – stammt aus Pakistan und eroberte von hier, zusammen mit seinem menschlichen Herrn, den indischen Subkontinent. Bis dahin stimmen die genetischen Ergebnisse sowohl mit archäologischen als auch mit Genanalysen anderer Haustiere überein. Kopfzerbrechen macht den Forschern die dritte "Urmutter" der Ziegen: Sie ist die Vorfahrin einiger weniger Exemplare in der Schweiz, in Slowenien – und in der Mongolei. Irgendwann muss es also einen Austausch zwischen diesen weit voneinander entfernten Gebieten gegeben haben – sei es in vorgeschichtlicher Zeit, während des römischen Reiches im Altertum oder während der mongolischen Herrschaft im Mittelalter.

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