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Biomechanik: Einfach mal hängen lassen

Auf dünnen Beinen am Boden herumzustaksen, ist für viele Achtbeiner keine einfache Angelegenheit. Ihr Körperbau ist eher darauf ausgerichtet, die Welt kopfüber zu erkunden. Spanische Forscher fanden heraus, warum: Für einige Spinnenarten ist es energetisch günstiger, sich einfach hängen zu lassen.
Federfußspinne

Es ist ein bekannter Anblick: Im Garten, in einer Ecke oberhalb der Eingangstür oder am morgenfeuchten Fahrradlenker ist über Nacht ein Spinnennetz entstanden. Nur vom Erzeuger fehlt jede Spur. Oft verharrt der flinke Achtbeiner in einer Ritze oder hängt unter einem nahe liegenden Blatt – kopfüber, mit dem Körper nach unten.

Spinnennetz

Diese Tendenz, die Welt aus der umgekehrten Perspektive zu erkunden, haben viele unterschiedliche Spinnenarten gemeinsam. Häufig wird die bei anderen Tieren unübliche Haltung auch genutzt, um mit Hilfe geschickt ausgeworfener Seidenfäden unüberwindbar scheinende Distanzen zwischen zwei Pflanzen zu überwinden. Ist der Faden erst einmal gespannt, hangelt sich die Spinne an ihrer schwingenden Brücke entlang zum Ziel. Dabei nutzt sie gekonnt die Schwerkraft aus, wie ein internationales Team um Jordi Moya-Laraño von der Estación Experimental de Zonas Aridas im spanischen Almería ermittelte.

Die Forscher verglichen die Körper von 105 Spinnenarten, um festzustellen, ob sich die Proportionen von Abhängern sowie jene von aufrecht krabbelnder Spinnen unterscheiden. Zudem ließen sie über 40 Kugelspinnen der Gattung Anelosimus aulicus, die sich die Welt gerne verkehrt herum ansieht, diverse Lauftests absolvieren. So nötigten sie die Tiere, über eine 50 Zentimeter lange Sandstrecke zu krabbeln. Als Ausgleich durften sie zudem mit Hilfe ihrer Seidenfäden von einer Anhöhe zu einer knapp 20 Zentimeter entfernten Pflanze entlang hangeln.

Bei der Hängepartie waren die Spinnen dabei um das 1,5-fache schneller als bei ihrem Trip über den Boden. Je größer der Achtbeiner war, umso mühsamer bewegte er sich zudem über die Sandfläche. Gleichzeitig waren größere Spinnen kopfüber besonders flink.

Abhänger haben längere Beine

Die Forscher erklären sich dies mit einem auffälligen morphologischen Eigenschaft der Abhänger: Bei ihnen waren die Beine im Vergleich zum Körpervolumen wesentlich länger als bei den Krabbeltieren, die den Boden bevorzugen. Vor allem die beiden Vorderbeine hatten deutliche Überlänge.

Federfußspinne in bevorzugter Kopfüber-Position | Die Federfußspinne Uloborus bewegt sich bevorzugt kopfüber durch die Welt.

Hängen die Spinnen nun kopfüber, können sie sich beim Überqueren der Seidenfaden-Brücke mit den Vorderbeinen gezielt nach vorne ziehen, erklären Moya-Laraño und sein Team. Der restliche Körper verhalte sich währenddessen wie klassisches Pendel: Er schwingt leicht hin und her. Passt die Spinne nun den richtigen Moment ab, kann sie sich bei ihrer Hängepartie sehr energieeffizient forthangeln.

Ungünstiges Drehmoment

Den Vorteil am Seil büßen die Tiere jedoch deutlich ein, wenn sie gezwungen sind, sich dann doch einmal über den Boden zu bewegen. Die im Vergleich zum Körpervolumen recht langen Beine behindern aufgrund eines schlechten Drehmoments ein effektives Fortkommen auf der Horizontalen, die Spinne wird entsprechend langsam. Dies könne in ariden Zonen durchaus deutliche Probleme nach sich ziehen, warnen die Forscher: Fehle üppige Vegetation, sei die langsam am Boden daher kriechende Spinne verstärkt Fressfeinden ausgesetzt.

Einige Spinnenarten haben hier allerdings ihre eigene Lösungsstrategie entwickelt: Die große Latrodectus revivensis etwa legt Bodenstrecken im Regelfall nur während ihrer Jugend zurück, wo sie noch klein und entsprechend agil ist. Bei ausgewachsener Größe indes beschränkt sie sich altersweise bis zum Tode auf ein Areal. Andere Spinnen verzichten schlichtweg auf den Bodenkontakt und hangeln sich etwa bei der Partnersuche fast ausschließlich per Seilbahn von Halm zu Halm. Das spart nicht nur Energie, sondern auch Zeit. Schließlich muss das werbende Männchen so nicht erst mühsam einen Halm erklimmen, um zu sehen, ob im neuen Areal eine interessierte Artgenossin wohnt.

(Spektrum.de, 26. März 2008)

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