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News: Einiges liegt doch in den Genen

Manche Rundwürmer speisen alleine, andere dinieren in Gesellschaft. Der Grund dafür ist anscheinend ein einziges Gen. Die Untersuchung eines simplen Wurms liefert verblüffende Einsichten darüber, welchen Einfluß ein einziges Gens auf das Verhalten ausüben kann.
Das identifizierte Gen ist eng mit dem Neuropeptid-Y-Rezeptor-Gen in Menschen verwandt – und dieses wird mit der Kontrolle des Appetites in Zusammenhang gebracht. Die zufällige Entdeckung weist darauf hin, daß einige Elemente des Rundwurm-Gens sich auch in höheren Spezies noch finden. Ungeachtet dessen würde dieses trotzdem keine genetische Erklärung dafür liefern, warum einige Partygäste ihre Häppchen alleine verzehren, während andere sich um die Schale mit den Kartoffelchips drängen.

Nach Aussage von Dr. Cornelia I. Bargmann, Forscherin am Howard Hughes Medical Institute und Professorin für Anatomie an der University of California, San Francisco, zeigt die Studie jedoch Wege auf, wie der relative Beitrags einzelner und multipler Gene an der Entwicklung von angeborenem Verhalten, insbesondere von Sozialverhalten, erforscht werden kann. Im Gegensatz zu Fertigkeiten, die das Überleben sichern, wie Paarung und Nahrungssuche, kann sich Sozialverhalten bei verschiedenen Spezies und innerhalb einer Art auf mehr als eine Weise erfolgreich entwickeln. Diese natürlichen Variationen werden bei großen Katzen auf dramatische Weise veranschaulicht: Tiger sind Einzelgänger, Löwen dagegen leben gesellig. Es gibt sie auch bei Menschen: Der eine sieht Schüchternheit als beste Strategie, um einen Partner zu freien, andere versuchen sich eher in Unverfrorenheit.

Das Zusammenwirken von Umwelteinflüssen und genetischer Ausstattung ist es, welches einmalige Reaktionen bei höheren Tieren hervorruft. Außerdem könnten Einsichten in die genetische Komponente ein gewisses Verständnis dafür liefern, wie sich Verhalten entwickelt. Genetische Einflüsse sind in einfacheren Geschöpfen, denen es an einer komplizierten Charakterentwicklung mangelt, besonders leicht zu identifizieren.

Nach Meinung von Bargmann könnte das bei Rundwürmern (Nematoden) und Menschen entdeckte Gen helfen zu klären, wie Veränderungen des Sozialverhaltens stattfinden. Die Gene sind verantwortlich für die Produktion von Rezeptoren für Neuropeptide. Dies sind chemische Botenstoffe, die Verhalten über einen längeren Zeitraum regulieren. Im Gegensatz dazu wird Überlebensverhalten wie Kämpfen oder Fliehen durch Neurotransmitter gesteuert, die unmittelbare Reaktionen im Nervensystem auslösen. Bargmann vermutet, daß die Schaltkreise, in denen Neuropeptide eine wichtige Rolle spielen, ihre Reaktionen auf Umweltreize im Laufe der Zeit variieren und so auch ein verändertes Verhalten auslösen könnten.

Eines ist besonders interessant an den Ergebnissen der Wissenschaftlerin: Dies ist die Entdeckung, daß das Fütterungsverhalten der Rundwürmer von nur einem einzigen Gen bestimmt wird. Dies stellt die These in Frage, daß angeborenes Verhalten aus dem Zusammenspiel zahlreicher Gene resultiert, sogar bei einfacheren Spezies wie den Taufliegen.

Die Forscher untersuchten 17 Spezies von des Nematoden Caenorhabditis elegans, die auf der ganzen Welt gesammelt wurden. Zwölf Stämme besaßen die eine Variante des Gens und fünf Stämme eine andere. Alle Rundwürmer wiesen ein ähnliches Verhalten auf, solange Nahrung begrenzt oder nicht vorhanden war. Als sie jedoch auf einem Rasen mit Beute-Bakterien ausgesetzt wurden, zeigten sich die deutlichen Unterschiede: Die Mitglieder aller fünf Stämme mit derselben Genvariante schleppten sich als einsame Fresser allein über ihr Gebiet, während ihre geselligen Cousins sich wie eine plündernde Horde gesellig durch ihre Beute gruben. Der Unterschied wurde durch den Austausch einer einzigen Aminosäure verursacht. "Die Entdeckung, daß ein einziges Gen für ein klar definiertes Merkmal verantwortlich ist – und ein einziges Nukleotid innerhalb dieses Gens – war ein Schock," sagte Bargmann. Als die Forscher durch gentechnische Eingriffe einen "solitären" Stamm in einen "sozialen" Stamm umwandelten, zeigten die Tiere tatsächlich plötzlich eine Neigung zur Geselligkeit und nahmen auch andere Verhaltensweisen der "sozialen" Stämme an.

Die beiden Nematodenarten teilen sich oft ein ähnliches Umfeld – in einem Fall wurden zwei genetisch unterschiedliche Stämme aus demselben Rasenstück isoliert. Dies deutet darauf hin, daß beide genetischen Variationen im selben Umfeld unter unterschiedlichen Bedingungen gedeihen. "Es scheint, daß sich das Verhalten einmal entwickelte und sich in der gesamten Nematoden-Gemeinschaft über mehrere Kontinente ausbreitete," sagte Bargmann. "Natürlich ist es die Art und Weise, wie Rundwürmer auf Nahrung, Pheromone und andere Faktoren reagieren, die letztendlich ihr Verhalten bestimmt, und ob sie in einer sozialen Gruppe oder als Einzelwesen leben. Und es ist wahrscheinlich, daß das "Bakterienbankett" nur eine begrenzte Perspektive eines komplexeren Verhaltens aufzeigt," sagte Bargmann. Trotzdem, die Erklärung für diese Reaktionen liegt im Unterschied der beiden Gene.

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