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News: Eisige Falle für Moleküle

Zum ersten Mal ließen Wissenschaftler eine magnetische Falle zuschnappen, die ganze Moleküle einfangen kann. Dieser Erfolg bietet die Grundlage dafür, daß Physiker chemische Reaktionen bei extrem niedrigen Temperaturen beobachten können. Die Wissenschaftler erhoffen sich dabei zu verstehen, wie quantenmechanische Effekte die Wechselwirkungen von Molekülen untereinander beeinflussen.

Bereits seit einigen Jahren sind Physiker in der Lage, einzelne Atome einzufangen. Moleküle jedoch sind stets so energiegeladen, daß sie den Wissenschaftlern immer wieder entwischten. Um sie einzufangen, bedarf es mehr als einer besseren Mausefalle – nach John Doyle, Molekularphysiker der Harvard University, sind drei Schritte notwendig: Zunächst müssen die Moleküle in einer Kammer auf einige wenige Zehntelgrade oberhalb des absoluten Nullpunktes abgekühlt werden. Als nächstes werden sie in ein magnetisches Feld gesteckt, das die Moleküle im Zentrum der Kammer zusammentreibt und schließlich läßt man die energiereichsten Molekülen verdampfen.

Der erste Schritt ist bei Molekülen am schwierigsten: Die Kühlung mittels Laser – eine Methode, die bei Atomen problemlos funktioniert – hat bei Molekülen noch nie geklappt. Wenn ein Atom von einem Laser getroffen wird, beschleunigt oder verzögert es seine Bewegung um bestimmte Beträge, so daß eine Serie von Laserstößen jene Atome, die langsamer werden, sicher zu einem fast völligen Stillstand bringt. Die Reaktion eines Moleküls dagegen ist unvorhersehbar.

Anstelle von Lasern kühlten Doyle und seine Kollegen daher die Wände einer Kammer, die mit Heliumatomen und Molekülen von Calciummonohydrid gefüllt war. Wenn die energiereichen Moleküle an die eisigen Heliumatome stießen, verloren sie Energie und wurden langsamer. Das Team fing so 100 Millionen Moleküle bei knapp einem halben Grad über dem absoluten Nullpunkt für etwa eine Sekunde ein (Nature vom 10. September 1998). Der wichtigste Aspekt der Studie besteht darin, daß es sich um eine sehr allgemeine Technik handelt, erklärt Doyle. Im Gegensatz zur Laser-Kühlung, müßte diese Methode seiner Ansicht nach auf eine Vielzahl von Molekülen anwendbar sein.

Neben der Beobachtung von ultrakalten chemischen Reaktionen könnte dieser Molekül-Käfig auch zu Erkenntnissen führen, die heute noch unvorstellbar seien, erklärt William Phillips, Atomphysiker vom National Institute of Standards and Technology in Gaithersburg. Die Errungenschaften der jüngsten Vergangenheit lassen das wahrscheinlich erscheinen: Vor drei Jahren führte das Einfangen von Atomen zur Entdeckung einer neuen Phase der Materie, des Bose-Einstein-Kondensats. Doyles Ansicht nach könnten die Wissenschaftler in ihren Experimenten vielleicht Suprafluidität in gefangenen Gasen beobachten – die durch dasselbe Quantenphänomen hervorgerufen wird, das auch die Supraleitfähigkeit erzeugt.

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