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News: Eiskalt geschüttelt, nicht gerührt

Bewegung macht warm. Das merkt jeder Radfahrer oder Wanderer, wenn er bei sommerlichen Temperaturen einen kühlen Schluck aus der Hightech-Thermosflasche nehmen möchte. Zu seiner Enttäuschung ist das Getränk durch das Wackeln und Ruckeln warm geworden. Dass man mit Schütteln auch kühlen kann, entdeckten nun japanische Wissenschaftler. Zum Leidwesen aller Outdoor-Fans funktioniert das jedoch nur bei vorgekühlten Atomen.
Bose-Einstein-Kondensat
Wenn es so richtig kalt werden soll, betreiben Physiker einen gewaltigen Aufwand mit ihren Versuchsaufbauten. Unter anderem sorgen sie dafür, dass die Apparaturen nicht zu sehr geschüttelt werden, etwa weil jemand zu Fuß durch das Labor geht. Als Schutz dienen beispielsweise schwere Steinplatten, die auf Druckluftpolstern schweben oder sandgefüllte Säcke. Nur so ist es möglich, Gruppen von Atomen auf wenige tausendstel Grad über den absoluten Nullpunkt der Temperaturskala abzukühlen. Dabei muss Schütteln nicht unbedingt schlecht für die Kühlung sein, stellten Tsutomu Yabuzaki und seine Kollegen von der Kyoto University in Japan nun fest. Wenn man es richtig macht, lässt sich mit Hilfe der passenden Vibration die Temperatur sogar noch weiter senken.

In ihrem Versuch kühlten die Wissenschaftler zunächst rund 200 Millionen Rubidium-87-Atome auf konventionelle Weise bis knapp über den Nullpunkt ab. Von einem Magnetfeld in einer Vakuumkammer gefangen, drängten die Teilchen sich auf einem Volumen von etwa fünf Millimetern Länge und zwei Millimetern Durchmesser. Sobald dieser Zustand erreicht war, fingen die Forscher an, die Atome ein bisschen zu schütteln. Dabei stellten sie fest, dass niedrige Frequenzen von wenigen Hertz kaum messbare Auswirkungen hatten, während schnellere Vibrationen im Bereich bis 500 Hertz die Probe wie erwartet erwärmten. Schüttelten die Physiker allerdings mit etwa 40 Zyklen pro Sekunde, sank die Temperatur der Atomgruppe plötzlich ab.

Bei der betreffenden Frequenz, so vermutet das Team um Tsutomu Yabuzaki, handelt es sich um die Resonanzfrequenz, mit welcher die energiereichsten Atome in dem Ensemble zwischen den Enden der Probe hin und her wandern. Durch den Schubs von außen bekommen sie das fehlende Quäntchen Schwung, um gegen die Zwänge des Magnetfeldes die Gruppe verlassen zu können. Dabei nehmen sie überdurchschnittlich viel Energie mit, sodass die mittlere Temperatur der zurückgelassenen Probe sinkt. Anders ausgedrückt: Wer es sich leisten kann, nutzt den sanften Anstoß von außen, verlässt das enge Dörflein und lässt die arme Verwandtschaft noch ärmer zurück.

Physiker aus anderen Laboratorien begrüßen die Entdeckung der Japaner als eine zusätzliche Möglichkeit, Gruppen von Atomen weiter abzukühlen. Viele, teilweise überraschende Eigenschaften von Materie treten erst knapp über dem absoluten Nullpunkt auf. Will man verstehen, warum die Welt so ist, wie sie ist, braucht man einen eiskalten Blick. Mit Schütteln ließe sich das unter Bedingungen erreichen, bei denen andere Techniken kaum oder gar nicht eingesetzt werden können.

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