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Eiszeiten: Riesige Eisberge hinterließen ihre Spuren in der Nordsee

Auch das Meer vor unserer Haustür kannte vor nicht allzu langer Zeit gewaltige Eisberge, wie sie heute rund um die Antarktis driften. Sie hinterließen ihre Spuren am Meeresboden.
Eine beeindruckende Landschaft aus massiven, schneebedeckten Eisbergen, die aus dem tiefblauen Meer ragen. Im Hintergrund sind schneebedeckte Berge unter einem bewölkten Himmel zu sehen. Die Szene vermittelt die majestätische und unberührte Natur der Antarktis.
Eisberge wie diese in der Antarktis schwammen während der letzten Eiszeit auch durch die Nordsee.

Regelmäßig stranden riesige Eisberge vor der Insel South Georgia im Südpolarmeer, weshalb diese Gewässer als »Friedhof der Eisberge« bekannt sind. Ob es während der letzten Eiszeit ein Pendant auch in der Nordsee gab, ist noch unbekannt. Doch es kann als gesichert gelten, dass ebenfalls große Eismassen durch das Gewässer vor unserer Haustür drifteten. Das belegen entsprechende Kratzspuren auf dem Meeresboden, die eine Arbeitsgruppe um James Kirkham vom British Antarctic Survey in Cambridge vor der schottischen Küste nachweisen konnte.

Vor 18 000 bis 20 000 Jahren bedeckte das Britisch-Irische Eisschild noch weite Teile der Inseln, doch sorgte die einsetzende Erwärmung dafür, dass es sich langsam nach Norden zurückzog und auseinanderfiel. Dabei entstanden Tafeleisberge mit Durchmessern zwischen fünf und zehn Kilometern und 20 bis 180 Metern Dicke. Sie zerbrachen nach und nach zu kleineren Eisbergen, während sie durch die Nordsee nach Süden drifteten. Etwa zur gleichen Zeit kollabierte auch die Meereisbedeckung der Region.

Dabei schrammten sie in flacheren Bereichen an ihrem Grund über den Meeresboden im Bereich des Witch-Ground-Beckens vor Aberdeen, wo sie Rinnen hinterließen: Sie erinnern an Muster, wie sie mit einem Kamm in weicher Butter gezogen werden könnten. Kirkham und Co entdeckten sie, als sie seismische Daten auswerteten, mit denen Standorte für Ölbohrplattformen in der Nordsee ausgesucht werden sollten. Einzelne, von kleineren Eisbergen geformte Rinnen kannte man aus der Nordsee bereits, doch sprechen die von der Arbeitsgruppe gefundenen breiten Muster für deutlich größere Eismassen, die hier über Grund geschrammt sind.

Aus den Daten kann man zudem erkennen, wie diese großen Tafeleisberge in kleinere Einheiten zerfielen, die dann die kleinerem und schmaleren Rinnen im Sediment hinterließen. Für die Wissenschaftler ein klares Indiz, dass das dicke Schelfeispaket in der nördlichen Nordsee damals auseinanderbrach und nach und nach verschwand – ein Prozess, der heute in der Antarktis beobachtet werden kann. Dort sind in den letzten Jahren einige Schelfeisflächen zerfallen: das Larsen-B-Schelfeis beispielsweise 2002 innerhalb von nur einem Monat.

Eine Serie überdurchschnittlicher warmer Sommer hatte dafür gesorgt, dass mehr und mehr Schmelzwasser durch Risse im Eiskörper gesickert ist, was ihn zunehmend geschwächt hat, bis er auseinanderbrach. Seitdem strömen die landeinwärts gelegenen Gletscher schneller ins Meer, wo sie kalben und so zum Meeresspiegelanstieg beitragen. Ein ähnliches Szenario vermuten Kirkham und Co für das Britisch-Irische Eisschild, nachdem das Schelfeis in der Nordsee verloren gegangen war: Vermutlich zog es sich an den Rändern auf dem Höhepunkt der Schmelze um 200 bis 300 Meter pro Jahr zurück.

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