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Megafauna: Ein blindes Riesenhuhn?

Die Elefantenvögel Madagaskars gehörten zu den größten Vögeln, die je auf der Erde lebten. Sie waren wohl nachtaktiv und fast blind.
Elefantenvogel

Nicht nur Ornithologen würden staunen, stünde ihnen heute ein Elefantenvogel aus Madagaskar gegenüber: Mehr als drei Meter hoch war zum Beispiel der Vorombe titan, der erst vor wenigen hundert Jahren ausstarb – der Gigant gilt als der größte bekannte Vogel, der je auf der Erde gelebt hat. Um ihn zu sehen, hätten Interessierte aber wohl nachts unterwegs sein müssen. Denn wie Julia Clarke von der University of Texas und ihr Team in den »Proceedings of the Royal Society B« nahelegen, waren die Elefantenvögel womöglich nachtaktiv und verfügten auch nur über eine schlechte visuelle Wahrnehmung.

Anhand der Schädelanatomie hatten die Wissenschaftler das Gehirn der Vögel am Computer rekonstruiert. Daraus leiteten sie ab, dass der für den Sehsinn verantwortliche Teil des Denkapparats eher klein und unterentwickelt gewesen sein muss. Und das spreche wiederum dafür, dass die Tiere sich praktisch nicht visuell orientierten, sondern sich auf andere Sinnesorgane verließen, so Clarke und Co. Dazu passe, dass auch die nächsten noch lebenden Verwandten der Elefantenvögel – die neuseeländischen Kiwis – nur über einen stark eingeschränkten Sehsinn verfügen und sich eher mit Hilfe ihres Geruchssinns orientieren. Manche Biologen vermuten sogar, dass die Kiwis gerade dabei sind, vollständig ihre Sehkraft zu verlieren.

Für ihre Studie hatten Clarke und Kollegen zwei erhaltene Schädel von Elefantenvögeln in den Computertomografen gelegt und gescannt. Aus diesen Aufnahmen konnten sie das Gehirn visualisieren – und erlebten dabei eine Überraschung. Denn bislang waren viele Ornithologen davon ausgegangen, dass die riesigen Vögel in der Lebensweise eher den tagaktiven Laufvögeln wie Straußen oder Emus glichen. Stattdessen ähnelte ihr Gehirn dem der Kiwis. Passend dazu war auch der Riechkolben des Gehirns zumindest bei der größeren der beiden untersuchten Arten stark vergrößert – was eben für einen guten Geruchssinn spricht.

Wahrscheinlich bevorzugte diese Elefantenvogelspezies Wälder, schließen die Wissenschaftler: Im dichten Wald war es noch wichtiger, einen guten Geruchssinn zu besitzen. Die kleinere der beiden Arten lebte dagegen eher in Savannen. Doch sind die neuen Erkenntnisse nur weitere Mosaiksteinchen, um die Biologie der Giganten zu entschlüsseln. Alle Elefantenvogelarten starben spätestens vor wenigen hundert Jahren aus. Unklar ist dabei, welche Rolle der Mensch gespielt hat: Neuere Daten deuten darauf hin, dass die ersten Siedler und die Vögel noch längere Zeit nebeneinander gelebt haben könnten, bevor die Tiere ausstarben. Sie wurden also nicht schnell durch Jagd ausgerottet. Womöglich spielte bei ihrem Verschwinden letztlich auch eine Rolle, dass immer größere Teile des Verbreitungsgebiets brandgerodet und genutzt wurden.

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