Nachfrage nach Elektroautos: An der Ladeinfrastruktur liegt es nicht

Wer in Deutschland die Batterie eines Elektroautos aufladen will, konnte sich bis zum August 2025 für eine von etwa 94 000 Ladesäulen im öffentlichen Raum entscheiden. Das sind etwa sechsmal so viel, wie es Tankstellen im Land gibt. Für viele Fahrerinnen und Fahrer von E-Autos stellt sich die Frage nach einer günstig gelegenen Ladesäule aber gar nicht: Sie laden zu Hause oder am Arbeitsplatz. Etwa 85 Prozent der Ladevorgänge finden dort statt. Und so kommt es, dass laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft durchschnittlich vier von fünf Ladepunkten gerade nicht besetzt sind.
Ist die Ladeinfrastruktur im Jahr 2025 damit ein Hemmschuh für den Ausbau der Elektromobilität – so, wie es die öffentliche Debatte teilweise suggeriert? Nein, findet Patrick Plötz vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI. »Deutschland verfügt inzwischen über ein dichtes Netz von Schnellladepunkten entlang der Autobahnen«, sagt der Energiewirtschaftler gegenüber dem Science Media Center (SMC). Die großen Verkehrsachsen seien gut versorgt, und die Bundesregierung fördere gezielt die Schließung letzter Lücken auf weniger frequentierten Autobahnteilen. »Das Ad-hoc-Laden ist an vielen Standorten möglich.«
Der Verkehrsforscher Gernot Liedtke vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt kann das bestätigen. »Deutschland hat die aktuellen europäischen Vorgaben für die zu installierende öffentliche Ladeleistung um den Faktor zwei übertroffen.« Einige Regionen seien sogar schon in einer Weise mit Ladepunkten überversorgt, dass die Betreiber sie nicht mehr wirtschaftlich unterhalten könnten. Liedke gibt allerdings auch zu bedenken, dass viele Menschen keinen eigenen Parkplatz haben. Das müsse man beim weiteren Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur berücksichtigen. Dennoch, »die Themen Reichweite und Ladeinfrastruktur sind immer weniger eine zentrale Hürde beim Umstieg auf Elektrofahrzeuge«, sagt er gegenüber dem SMC. Viel wichtiger seien stattdessen der Kaufpreis des Fahrzeugs sowie die Energiekosten.
Ähnlich sieht es Sophia Becker von der Technischen Universität Berlin. »Aktuell ist die Ladeinfrastruktur schon vergleichsweise gut ausgebaut, während die Absatzzahlen der E-Autos weit hinterherhinken.« Ein weiterer Ausbau der Ladeinfrastruktur rentiere sich für die Anbieter nicht, da die Ladesäulen zu wenig ausgelastet seien. Wirksamer würde die Elektromobilität nach Ansicht der Professorin für Nachhaltige Mobilität angekurbelt, wenn Großstädte dauerhafte Null-Emissionszonen einrichteten, das Ende von Verbrennungsmotoren vorgezogen und die E-Auto-Kaufprämie neu aufgelegt würde – am besten so, dass Menschen in ländlichen Räumen stärker davon profitierten als Stadtbewohner.
Bezahlung und Preistransparenz verbesserungswürdig
Doch auch bei einer gut ausgebauten Infrastruktur kommt man nicht umhin, seine Gewohnheiten anzupassen. Wer schnell eine passende Ladestation finden will, verlässt sich auf spezielle Tools und Apps und wird darüber hinaus damit konfrontiert, dass die Ladesäulen nicht nur unterschiedlichen Anbietern gehören, bei denen man sich jeweils registrieren muss, sondern auch, dass sie über verschiedene Bezahlsysteme abrechnen – über RFID-Karten für Onlineverfahren, per Kreditkarte oder teilweise sogar mit Bargeld. Gut fährt hier also, wer sich in der digitalen Welt gut zurechtfindet.
»Sie fahren mit einem Elektroauto nicht einfach drauflos und steuern dann unterwegs irgendeinen zufälligen Ladepunkt an, wie mit einem Verbrenner eine Tankstelle«, resümmiert die Mobilitätsforscherin Christine Eisenmann von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg gegenüber dem SMC. Und da sich die Kosten für das Laden an einem Ort unter den verschiedenen Anbietern teilweise stark unterscheiden, sei es zudem ratsam, Ladekarten von mehr als einem Anbieter dabeizuhaben.
Patrick Plötz vom Fraunhofer ISI hebt jedoch hervor, dass man bereits heute an vielen Ladesäulen direkt einstecken könne und das Fahrzeug dann vollautomatisch identifiziert werde. Doch er bemängelt auch, dass es heute noch keinen echten Preiswettbewerb zwischen den Ladesäulenanbietern gebe. Eine gute Idee seien da beispielsweise große Preisschilder, wie man sie von Tankstellen kennt. Gernot Liedke vom DLR bremst hier jedoch. »Eine vollkommene Preistransparenz könnte entweder zu einem sogenannten ruinösen Wettbewerb oder aber zur Bildung von Kartellen und Absprachen führen.« Roaming-Modelle seien hingegen eine Möglichkeit, über die Anbieter ihre Ladesäulen auch für die Kunden anderer Ladesäulen verfügbar machen könnten.
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