Teilchenphysik: Elektronen im Schleudersitz
Der Beschleuniger LHC am Cern ist noch nicht einmal in Betrieb, da winkt am Horizont schon das nächste Großprojekt ILC - mit zwölf Kilometer langen Beschleunigungsarmen und bedrohlichen Kostenprognosen. Statt Teilchen durch kilometerlange Röhren zu schicken, genügt aber auch ein knapper Meter ionisierten Gases.
Teilchenbeschleuniger sind eine aufwendige Angelegenheit. Je tiefer die Physiker in die Geheimnisse der Materie eindringen wollen, desto schneller müssen sie Partikel aufeinander schießen – also rufen sie nach immer größeren und zugleich teureren Geräten.
Ein neues Prestigeobjekt
Doch nicht nur finanzielle Grenzen werden eines Tages durch die Forderung nach kraftvolleren Beschleunigern gesprengt, sondern auch die physikalischen: Die immer stärkeren elektrischen Felder, mit denen die Teilchen zu neuen Energierekorden gebracht werden, reißen ab einem bestimmten Schwellenwert die Elektronen aus den Metallkammern des Beschleunigers – das Aus für die hochempfindlichen Experimente. Deutlich höhere Feldstärken lassen sich jedoch in ionisiertem Gas, sogenanntem Plasma, erreichen, denn hier sind Atome und Elektronen bereits getrennt. Plasmabeschleuniger wurden bislang allerdings nur im Millimeter- oder Zentimetermaßstab verwirklicht – was kaum genügt, um Teilchen auf die gewünschten Energien zu bringen.
Meter statt Kilometer
Die Experimente klingen sehr vielversprechend, doch steht noch einige Arbeit ins Haus: Die erste Hürde ist der für Kollisionen benötigte ebenso energiereiche Gegenstrahl aus Positronen. Hier kann die Wissenschaft bislang nur bescheidene Erfolge vorweisen: In Plasmabeschleunigern gelangen bisher nur geringe Energiezuwächse. Ein weiteres Manko stellt das breite Energiespektrum der Strahlen dar – Kollisionsexperimente benötigen Teilchen in einem möglichst schmalen Energiebereich. Bereits 2004 haben andere Forscher jedoch ein Konzept vorgeschlagen, wie herkömmliche und Plasma-Beschleuniger kombiniert werden könnten, um mono-energetische Strahlen im Bereich von Teraelektronenvolt zu erzeugen. Schließlich muss es gelingen, beide Strahlen noch stärker zu konzentrieren, damit die Teilchen sich nicht verfehlen, sondern tatsächlich kollidieren.
Gehört Plasma die Zukunft?
Gelingt es den Wissenschaftlern, diese Probleme zu lösen, dann könnte sich einiger Aufwand für den Superbeschleuniger ILC erübrigen. Mit herkömmlichen Beschleunigern hat die Forschung zwar schon fünfzig Jahre Erfahrung, doch eine etwas weniger voreilige Politik könnte die Milliardenbeträge anderswo vielleicht klüger investieren.
Während die ersten Großbeschleuniger, wie der drei Kilometer lange Stanford Linear Accelerator (Slac) oder der Fermilab-Beschleuniger mit sechs Kilometern Umfang noch im nationalen Alleingang zu finanzieren waren, benötigen solche Projekte wie der neue Cern-Beschleuniger Large Hadron Collider (LHC) mit einem Umfang von 27 Kilometern schon multinationale Kraftanstrengungen. Nach einiger Verzögerung soll er im November endlich in Betrieb gehen. Die Cern-Forscher beginnen dieser Tage schon damit, die supraleitenden Magneten ihres neuen Spielzeugs zu kühlen.
Ein neues Prestigeobjekt
Noch davor trafen sich Teilchenphysiker letzte Woche in Peking, um bereits das nächste Großprojekt zu diskutieren: 31 Kilometer lang soll er sein, der geplante International Linear Collider (ILC), und über fünf Milliarden Euro kosten – die Detektoren und Löhne der Angestellten nicht eingerechnet. Dafür jedoch soll der ILC bei Kollisionen von Elektronen und ihren Antiteilchen, den Positronen, eine bislang unerreichte Energie von 500 Gigaelektronenvolt erzeugen. Ein Elektronenvolt ist jene Energie, die ein Elektron gewinnt, wenn es eine Spannungsdifferenz von einem Volt zurücklegt – die Leistung des ILC entspräche damit über dreihundert Milliarden Mignonbatterien.
Die ILC-Experimente sollen die Ergebnisse des LHC ergänzen, der zwar noch höhere Energien jenseits der Teraelektronenvolt erreicht, aber mit komplexeren Kollisionen von Protonen und Blei-Kernen arbeitet. Einig sind sich die Forscher, dass im ILC die am Hamburger Kernforschungszentrum Desy entwickelte Technologie mit Beschleunigungskammern aus supraleitendem Niob-Metall eingesetzt wird. Welches Land sich mit dem Prestigeobjekt schmücken darf, ist allerdings noch umstritten – schließlich geht es um große Geldsummen.
Doch nicht nur finanzielle Grenzen werden eines Tages durch die Forderung nach kraftvolleren Beschleunigern gesprengt, sondern auch die physikalischen: Die immer stärkeren elektrischen Felder, mit denen die Teilchen zu neuen Energierekorden gebracht werden, reißen ab einem bestimmten Schwellenwert die Elektronen aus den Metallkammern des Beschleunigers – das Aus für die hochempfindlichen Experimente. Deutlich höhere Feldstärken lassen sich jedoch in ionisiertem Gas, sogenanntem Plasma, erreichen, denn hier sind Atome und Elektronen bereits getrennt. Plasmabeschleuniger wurden bislang allerdings nur im Millimeter- oder Zentimetermaßstab verwirklicht – was kaum genügt, um Teilchen auf die gewünschten Energien zu bringen.
Meter statt Kilometer
Das Konzept könnte jedoch durchaus als Ersatz für herkömmliche Beschleuniger in Frage kommen, wie ein Forscherteam vom Teilchenschleuniger Slac, der Universität von Kalifornien in Los Angeles und der Universität von Südkalifornien jetzt beweist. Den Wissenschaftlern gelang es, die Energie von zuvor auf 42 Gigaelektronenvolt beschleunigten Elektronen in einem Plasmabeschleuniger zu verdoppeln – und das entlang einer Strecke von weniger als einem Meter. Damit dringen sie in die Energiebereiche moderner Teilchenbeschleuniger vor, die dafür mehrere Kilometer benötigen.
Mit einem hochkonzentrierten Elektronenstrahl aus dem Slac ionisierten sie ein Lithium-Gas. Die enorme Anziehung der dabei entstehenden positiv geladenen Gas-Ionen ließ die durchschießenden Elektronen trotz ihrer hohen Geschwindigkeit wieder umkehren. Doch rasten sie dann über ihr Ziel hinaus und erzeugten nach dem erneuten Durchqueren des Plasmas ein elektrisches Wirbelfeld, ähnlich der Wirbelschleppe eines Bootes. Die Mehrzahl der Strahlelektronen verlor in den Wirbeln an Geschwindigkeit, doch eine kleine Anzahl surfte gleichsam auf dem hinteren Ende der Welle und gewann dabei enorm an Energie. Das normalerweise hoch labile Plasma bildete eine stabile Säule, die den Elektronenstrahl zugleich fokussierte. Seitliches Wegspritzen von Elektronen, häufig ein Problem in Plasmabeschleunigern, beobachteten die Forscher nicht.
Die Experimente klingen sehr vielversprechend, doch steht noch einige Arbeit ins Haus: Die erste Hürde ist der für Kollisionen benötigte ebenso energiereiche Gegenstrahl aus Positronen. Hier kann die Wissenschaft bislang nur bescheidene Erfolge vorweisen: In Plasmabeschleunigern gelangen bisher nur geringe Energiezuwächse. Ein weiteres Manko stellt das breite Energiespektrum der Strahlen dar – Kollisionsexperimente benötigen Teilchen in einem möglichst schmalen Energiebereich. Bereits 2004 haben andere Forscher jedoch ein Konzept vorgeschlagen, wie herkömmliche und Plasma-Beschleuniger kombiniert werden könnten, um mono-energetische Strahlen im Bereich von Teraelektronenvolt zu erzeugen. Schließlich muss es gelingen, beide Strahlen noch stärker zu konzentrieren, damit die Teilchen sich nicht verfehlen, sondern tatsächlich kollidieren.
Gehört Plasma die Zukunft?
Gelingt es den Wissenschaftlern, diese Probleme zu lösen, dann könnte sich einiger Aufwand für den Superbeschleuniger ILC erübrigen. Mit herkömmlichen Beschleunigern hat die Forschung zwar schon fünfzig Jahre Erfahrung, doch eine etwas weniger voreilige Politik könnte die Milliardenbeträge anderswo vielleicht klüger investieren.
Um sie davon zu überzeugen, bleibt den Plasmaforschern aber nicht viel Zeit – nach Plan soll der Bau des ILC bereits im Jahre 2010 beginnen. Nicht, dass ihm das gleiche Schicksal widerfährt wie dem 87 Kilometer umfassenden Superconducting Super Collider: Nachdem innerhalb von zwei Jahren die ersten 23 Kilometer durch Texas gebohrt waren, ließ der amerikanische Kongress das Projekt 1993 angesichts der mittlerweile auf zwölf Milliarden Dollar gestiegenen Kosten und dem Ende des Kalten Krieges schließlich fallen.
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