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News: Elektronen in der Achterbahn

Wenn Licht auf freie Elektronen fällt, folgen diese für gewöhnlich nur der elektrischen Komponente der Strahlung. Doch bei extrem großer Intensität treten relativistische Effekte auf, und das Elektron tanzt wegen des magnetischen Anteils des Lichtes in Form einer Acht. Dabei emittiert es Strahlung verschiedener Farbe in genau festgelegten Winkeln zum Anregungslicht. Mit diesem Experiment haben Wissenschaftler das neue Forschungsgebiet der relativistischen nichtlinearen Optik betreten.
Normalerweise sind Elektronen an ein Atom gebunden, und die gegenseitigen Anziehungskräfte überlagern alle anderen Einflüsse, die von außen auf das System einwirken. Um die Eigenschaften der Teilchen für sich zu ergründen, müssen darum freie Elektronen geschaffen werden, was zum Beispiel durch Bestrahlung mit energiereichem Licht wie es ein Laser liefert, möglich ist.

Wie der Name schon verrät, besitzen elektromagnetische Wellen – zu denen auch das sichtbare Licht gehört – zwei Komponenten: ein oszillierendes elektrisches und ein ebenfalls periodisch schwingendes magnetisches Feld. Werden freie Elektronen beleuchtet, so vibrieren sie nur mit dem elektrischen Feld, wobei sie Energiequanten des Lichtes absorbieren und Strahlung mit der gleichen Frequenz wieder abgegeben. Dieser Vorgang wird als Thomson-Streuung bezeichnet, und die Richtungsverteilung des emittierten Lichtes heißt Thomson-Querschnitt.

Nach der klassischen Physik sollte er immer gleich sein. Doch bereits in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts konnte Compton zeigen, daß der Querschnitt für hochfrequentes Röntgenlicht aufgrund quantenmechanischer Effekte anders war. Und wenig später errechneten Theoretiker, daß auch bei niedrigeren Frequenzen Abweichungen auftreten sollten, wenn die Intensität des Lichtes nur hinreichend groß ist. Bis vor kurzem gab es jedoch keine Möglichkeit, die erforderlichen Lichtleistungen experimentell zu realisieren.

Erst die Wissenschaftler der University of Michigan um Donald Umstadter gelangten mit ihrem Versuch in den Bereich der relativistischen nichtlinearen Optik (Nature vom 17. Dezember 1998, Abstract, ganzer Artikel im pdf-Format). Mit einem der stärksten Laser der Welt schossen sie auf einen überschallschnellen Strahl von Heliumatomen. In Pulsen von nur wenigen Nanosekunden Dauer ionisierte Licht mit vier Billionen Watt Leistung das Gas zu einem Plasma aus Ionen und freien Elektronen.

Die Forscher stellten dann fest, daß die Elektronen das Laserlicht in anderen Farben als Streulicht abgaben und dabei besondere Richtungen einhielten. Das anregende Licht war nämlich so stark, daß die Elektronen fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wurden, wobei gemäß der Relativitätstheorie ihre Masse zunahm. Dadurch unterlagen sie aber der schwachen Lorentzkraft und mußten auch dem magnetischen Feld folgen. Die Bewegung der Elektronen erfolgte deshalb in Form einer Acht. Weil die Geschwindigkeit in die Raumrichtungen sich dabei änderte, emittierten die Teilchen kein Licht von der gleichen Frequenz wie das Laserlicht, sondern Oberschwingungen, deren Frequenz ganzzahlige Vielfache der Anregungsfrequenz waren. Dabei strahlte jede Farbe in eine eigene Richtung: die erste Oberschwingung zum Beispiel im rechten Winkel zum Anregungslicht.

Umstadters Experiment hat vor allem akademischen Wert, indem die Vorhersage aus der Relativitätstheorie im Labor bestätigt werden konnte. Sollte es den Wissenschaftlern aber in der Zukunft gelingen, die Lichtstreuung an den Elektronen zu beeinflussen, so daß kohärentes Licht entsteht, könnten sich daraus neue Technologien entwickeln. So ließe sich Röntgenlicht, das auf diese Weis erzeugt wird, auf Pulse von einer Billionstel Sekunde Dauer beschränken. Mit so kurzen Blitzen könnten schnelle Abläufe wie zum Beispiel bei der Photosynthese zeitlich aufgelöst werden.

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