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News: Elektronen-Picker

Die Auflösung eines Rastertunnelmikroskops ist imposant: Selbst der Ort einzelner Oberflächenatome lässt sich erkennen. Das gelingt, indem man mit einer Sensorspitze knapp oberhalb der Atomlandschaft kleinste Ströme abgreift, die aufgrund des quantenmechanischen Tunneleffekts die Leere zwischen Spitze und Probe überwinden. Obgleich dabei die Stromstärken winzig sind, bewegen sich doch unzählige Elektronen. Nun konnten Wissenschaftler mit einem ähnlichen Mikroskop sogar beobachteten, wie einzelne Elektronen tunneln.
Am 18. März 1981 war es soweit: Gerd Binnig und Heinrich Rohrer vom IBM Zurich Research Laboratory maßen zum ersten Mal, wie sich der elektrische Strom änderte, wenn sie den Abstand zwischen einer feinen Messspitze und der darunter liegenden Probe variierten. Das Rastertunnelmikroskop (RTM) war geboren. Dieses Messinstrument beruht auf dem Tunneleffekt – denn legt man eine Spannung zwischen einer Metallspitze und einer zu untersuchenden Probe an, so beobachtet man bei kleinen Abständen im Nanometerbereich einen Stromfluss, obwohl eigentlich keine elektrisch leitfähige Verbindung besteht.

Der Effekt ergibt sich aus den Gesetzen der Quantenmechanik, denn sie erlauben es Ladungsträgern, sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch in normalerweise unzugänglichen Bereichen aufzuhalten. Da der Tunnelstrom exponentiell vom Abstand zwischen Spitze und Probe abhängt, lässt sich aus der Stromstärke direkt auf deren Entfernung zueinander schließen. Um nun ein detailliertes Bild der Oberflächenstruktur zu gewinnen, rastert die Sensorspitze zeilenweise über die jeweilige Probe.

Auch wenn sich die Stromstärken dabei nur im Bereich von Nano- und Pikoampere bewegen, so tunneln doch in jeder Sekunde Millionen von Elektronen. Einzelne Ladungsträger konnte man hingegen noch nicht dabei beobachten. Dies gelang nun Levente Klein und Clayton Williams von der University of Utah in Salt Lake City. Die Wissenschaftler nutzten für ihr Experiment einen Verwandten des RTM das so genannte Rasterkraftmikroskop. Hier saß am Ende eines frei schwingenden Silicium-Streifens eine Spitze aus isolierendem Siliciumoxid, deren Ende wiederum in Metall gehüllt war.

Mit einer derartigen Apparatur lassen sich kleinste elektrostatische Kräfte messen. Denn Ladungen an der Messspitze und in der Probe ziehen sich an oder stoßen sich ab – bewegen damit aber immer auch den gesamten Silicium-Streifen. Mit einem Laserstrahl, der den Streifen bescheint, lassen sich seine winzigen Auslenkungen detektieren. Der Ausschlag ist demnach Maß für die Größe der untersuchten Ladung. Tatsächlich misst man ihn aber selten direkt, vielmehr wird der Silicium-Streifen in Schwingungen versetzt und die Änderung der Amplitude wird registriert.

So rasterten nun Klein und Williams mit ihrem modifizierten Mikroskop über eine Graphit-Oberfläche. Dabei stellten sie fest, wie zuweilen die Amplitude der Schwingung um einen kleinen Betrag einbrach. Über längere Zeit gemessen ergab sich auf diese Weise eine Kurve, die an ein Sägeblatt erinnert: senkrecht abfallende Flanken wechseln sich mit steil ansteigenden ab. Klein und Williams schließen daraus, dass bei jedem dieser Sprünge ein Elektron der Metallspitze an die Probe verloren ging. Denn dadurch verringert sich die elektrostatische Kraft, womit auch jedesmal die Amplitude schlagartig einbricht. Sieben solcher aufeinander folgende Zacken konnten die Forscher ausmachen, weshalb sie sicher sind, dass es sich um einzelne Elektronen handelte. Denn es ist zwar durchaus möglich, dass mal zwei oder mehr Elektronen gleichzeitig tunneln, dass dies jedoch siebenmal hintereinander passiert ist unwahrscheinlich.

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