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News: Elektronischer Wellenschlag

Die Supraleitung, insbesondere jene bei hohen Temperaturen, gibt nur peu à peu ihre Geheimnisse preis. Vielleicht hilft ein Blick auf das Material, wenn das Phänomen gerade nicht auftritt.
Elektronenwelle
Seit fast einem Jahrhundert sind Materialien bekannt, die unterhalb einer bestimmten Temperatur, der Übergangs- oder Sprungtemperatur, ihren elektrischen Widerstand verlieren. Es dauerte ein wenig, aber schließlich präsentierten John Bardeen, Leon Cooper und John Schrieffer im Jahr 1957 eine Theorie, die das Phänomen der Supraleitung vollständig erklären konnte und heute zu Ehren ihrer Schöpfer deren Initialen trägt.

Wer gedacht hat, damit sei das Kapitel Supraleitung in der Physik abgehakt, wurde 1986 eines Besseren belehrt, als Johannes Georg Bednorz und Karl Alex Müller das Phänomen an einer neuen Materialklasse, den Cupraten, nachweisen konnten. Diese keramischen Kupferoxide besitzen zum Teil eine sehr hohe Sprungtemperatur jenseits von 77 Kelvin, dem Siedepunkt von flüssigem Stickstoff. Da sich dieses Gas im Vergleich zu Helium leichter aus der Luft gewinnen und einfacher verflüssigen lässt, hat die Entdeckung große technische Bedeutung. Allerdings einen Wermutstropfen mussten Physiker schlucken: Die bislang so bewährte Theorie konnte das Phänomen der Hochtemperatur-Supraleitung nicht erklären.

Bis heute basteln Wissenschaftler also an einer neuen erweiterten Theorie – doch ein vollständiges Bild will sich noch nicht abzeichnen. Vielleicht helfen Ergebnisse, die nun Michael Vershinin und seine Kollegen von der University of Illinois im amerikanischen Urbana publizierten. Dabei schauten sich die Physiker gar nicht so genau den supraleitenden Zustand ihrer keramischen Kupferoxidverbindung an, sondern sie heizten noch etwas über diesen Punkt hinaus und warfen dann mit einem Rastertunnelmikroskop einen Blick auf das Material.

Was sie sahen, war zunächst eine Überraschung: Anstelle eines weitgehend regellosen Musters der Elektronenwolken, wie es eigentlich bei einem normalen Leiter zu erwarten wäre, wies die Verteilung der Ladungsträger ein schachbrettartiges Wellenmuster auf. "Erwärmen eines normalen Supraleiters über seine kritische Temperatur führt zu normalem metallischen Verhalten. Doch die Temperaturerhöhung von Hochtemperatur-Supraleitern bewirkt einen nicht-metallischen Zustand von Elektronen – auch Pseudolücke genannt", erklärt Ali Yazdani. "Wir haben zum ersten Mal die Bewegung der Elektronen in diesem seltsamen Zustand mit Nanometer-Auflösung untersucht."

Doch über das neu Entdeckte kann der Forscher derzeit auch nur spekulieren: "Dieses Muster scheint das Ergebnis konkurrierender Kräfte zu sein, die auf die Elektronen wirken, wie die Coulomb-Abstoßung aufgrund ihrer Ladung und die magnetische Wechselwirkung ihrer Spins." Immerhin, so ganz überraschend scheint das Ergebnis dann doch nicht zu sein, denn derartige Musterbildung wurde offenbar seitens der Theorie schon länger vorausgesagt. Allein, der Nachweis ließ sich bislang nicht erbringen.

Bleibt also abzuwarten, wie sich die elektronischen Wellen einmal in eine alles umfassende Supraleitertheorie einbauen lassen. Vielleicht gelingt es ja noch bis zum 100. Geburtstag der Supraleitung, das Problem zu lösen. Sieben Jahre sind noch Zeit.

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